zweite chance
Re-Use ist Zukunft — und verändert auch die Baubranche.

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Recyclinghaus Hannover: Prototyp für ressourcenschonendes Bauen und zirkuläre Planung
in einer zeit,
in der Rohstoffe knapper werden, Energie teurer und der Klimawandel spürbarer wird, stellt sich das Bauwesen neu auf. Weg vom linearen Denken – Bauen, Nutzen, Abreißen – hin zum zirkulären Bauen. Der Schlüssel: Re-Use. Also die Wiederverwendung von Bauteilen, bevor Materialien überhaupt recycelt oder entsorgt werden müssen. Ein Prinzip mit enormem Potenzial – und vielen Herausforderungen. „Re-Use ist ein wesentlicher Bestandteil der Kreislaufwirtschaft“, sagt Maria Rehbogen, Bereichsleiterin Forschung & Zukunftsthemen bei der Zukunftsagentur Bau in Salzburg. Sie verweist auf die EU-Abfallhierarchie, die eine klare Priorisierung vorgibt: zuerst nutzen, dann instand setzen, dann wiederverwenden – und erst danach recyceln. „Dafür braucht es ein verwertungsorientiertes Vorgehen, sortenreine Materialtrennung und ein Umdenken im Planungsprozess.“
Hürden mit Mehrwert
Denn so sinnvoll Re-Use aus ökologischer Sicht auch ist – der Weg dorthin ist steinig. Die juristische Lage ist komplex, Haftungsfragen sehr schwierig, passende Bauteile sind oft schwer zu bekommen. „Die Materialien müssen in der benötigten Menge und Qualität zum richtigen Zeitpunkt verfügbar sein – das ist eine große logistische Herausforderung“, so Rehbogen. Dazu kommt: Für Re-Use fehlen bislang konkrete gesetzliche Rahmenbedingungen oder gezielte Förderungen. Dabei liegt der Nutzen auf der Hand. Zirkuläres Bauen schont Ressourcen und vermeidet Abfall. „Gestalterisch unterscheiden sich Re-Use-Bauteile und Recyclingmaterialien kaum von neuen. Eine Wand aus Recyclingbeton sieht aus wie jede andere – sie muss genauso den geltenden Normen entsprechen.“ Neben rezykliertem Abbruchbeton, gebrauchten Faserzementplatten oder Wellblech finden auch wiederverwendbare Ziegel Verwendung – eine innovative Entwicklung eines oberösterreichischen Unternehmens.
Mehr Zukunft mit Bestand
Rehbogen warnt aber vor zu hohen Erwartungen: „Recyclingmaterialien können heute nur rund zehn Prozent des gesamten Materialbedarfs decken – möglicherweise noch weniger, wenn wir vermehrt sanieren.“ Umso wichtiger sei es, vorhandene Gebäude länger zu erhalten, Rückbaubarkeit mitzuplanen und Wiederverwendung als echten Standard zu etablieren. Impulse dafür liefert die von der Zukunftsagentur Bau entwickelte Innovationslandkarte „Kreislaufwirtschaft“. Sie stellt Praxisprojekte vor, die Re-Use, Recycling und rückbaufreundliches Planen bereits umsetzen – und zeigt: Es geht. Dazu gehört etwa das Recyclinghaus Hannover, das fast ausschließlich aus wiederverwendeten oder recycelten Materialien errichtet wurde. Im magdas Hotel in Wien etwa wurde ein alter Beichtstuhl zum Wandpaneel.
Bauherren in der Pflicht
Eine Vorbildrolle sieht Rehbogen besonders bei öffentlichen Bauherren: „Wer politisch Kreislaufwirtschaft einfordert, muss sie auch selbst leben. Leuchtturmprojekte zeigen, dass es geht – und laden zur Nachahmung ein.“ Gezielte Förderungen könnten hier wertvolle Impulse setzen, während gleichzeitig vermehrt positive Bewertungskriterien in gängigen Gebäudezertifizierungssystemen entstehen. Welche Bauteile sich besonders gut für Re-Use eignen? „Holz, Stahl, Beton – grundsätzlich ist vieles wiederverwendbar, solange Zustand und Einsatzort zusammenpassen.“ Wichtig sei eine sorgfältige Prüfung und Dokumentation. Fertigteilhersteller könnten hier künftig eine zentrale Rolle spielen: „Sie kennen ihre Produkte und könnten Rücknahmesysteme etablieren.“
Vom Nischenthema zum Standard?
Derzeit ist Re-Use noch ein Nischenthema. Aber eines, das wächst. Interreg-Forschungsprojekte wie RIBA oder ATTENTION (www.zukunft-bau.at) arbeiten daran, Wissenslücken zu schließen, Vorzeigeprojekte vor den Vorhang zu holen und Ausschreibungen praxistauglich zu gestalten. „Das braucht Zeit“, sagt Maria Rehbogen. „Aber der Wandel ist im Gange.“

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Leuchtturmprojekte zeigen, dass es geht — und laden zur Nachahmung ein.
– Maria Rehbogen, Bereichsleiterin Forschung & Zukunftsthemen bei der Zukunftsagentur Bau in Salzburg