von türmen
und wurzeln

Vom alltäglichen Kaffeesatz bis hinauf in grüne Höhen: Die moderne Welt der Lebensmittel nimmt neue, nachhaltige Formen an.
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Hanna Pribitzer
unwetterextreme,
Bodenverbrauch, Artenschwund, globale Erwärmung, wachsende Weltbevölkerung: Die Versorgungs(un-)sicherheit ist eines der wichtigsten Themen weltweit. Neue Lösungen und Ideen müssen her. Werden wir uns also zukünftig von knackigen Käfern und gut gewürzten Würmchen ernähren müssen – oder gibt es noch andere Optionen?
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Hanna Pribitzer
Hut & Stiel ist eine Beteiligung von fair-finance. Über den ersten österreichischen Impact Fonds wurden insgesamt zwölf Start-ups unterstützt.
se-fonds.at
Am Pilz der Zeit
Mit (Austern-)Pilz und (Kaffee-)Satz zum Ziel: Das Startup Hut & Stiel mit Standort in Wien und Klosterneuburg züchtet seit 2015 Speisepilze auf Kaffeesatz. Die Geschäftsidee der Gründer Manuel Bornbaum und Florian Hofer ist so einfach, wie sie nachhaltig ist: Der Kaffeesatz diverser Cafés oder Großküchen wird eingesammelt und zu Substrat weiterverarbeitet.¹ Er dient den Austernpilzen, gemeinsam mit der richtigen Menge an Wasser, als Nährboden, verrät Manuel Bornbaum: „Der Pilz wächst sich innerhalb von Wochen durch dieses Material. Danach geht es von einem sehr warmen in einen sehr kühlen Raum mit hoher Luftfeuchtigkeit.“ Hier beginnen die Pilze nach drei bis vier Wochen zu sprießen, bevor sie bloß oder als vegane Speisen verkauft werden. „Man kann damit prinzipiell alles machen, was man auch mit Kalbfleisch machen kann“, zeigt sich der Geschäftsführer begeistert und ergänzt, dass die Pilze auch „angebraten mit Öl sowie als Beilage, zum Salat, auf dem Brot oder in der Schwammerlsauce“ eine gute Figur am Teller machen. Für jene, die ihre Zeit nicht gerne mit Kochexperimenten verbringen, hat Hut & Stiel bereits geschmackvolle Lösungen wie die Wiener Bio-Pilzwürstl oder das Bio-„Wiener Pilz Pesto“, entwickelt. Nicht nur das: Wer möchte, kann die essbaren Pilze mithilfe der Pilzgeflüster-Sets auch zuhause züchten.
Pilzmyzel
Das Pilzwurzelgeflecht ist kalorienarm, nährstoffreich und schont Ressourcen, da Pilzbioprozesse flexibel und unabhängig von landwirtschaftlicher Produktion sind. Mit der Fermentation von Pilzmyzelien können daher Fleischersatzprodukte und Proteinisolate hergestellt werden.⁵
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Stadtlandwirtschaft
Die Idee des Start-ups: eine urbane, möglichst vegane Alternative zu finden. „Am Anfang stand primär die Faszination dafür, Lebensmittel in der Stadt zu produzieren – und das einhergehend mit einem sehr geringen CO₂-Fußabdruck“, so Manuel Bornbaum. Die Austernpilze zeichnen sich nicht nur dadurch aus, dass sie allerorts angebaut werden können, auch der geringe Verbrauch an Ressourcen durch die Verwendung eines Abfallprodukts ist zukunftsweisend. Übrigens: Auch in Hamburg lässt man es sprießen: Infinite Roots® hat sich dort auf Pilzmyzel spezialisiert.²
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Herbeus Greens
Nah, nährstoffreich und nachhaltig: Herbeus Greens setzt auf das innovative Vertical-Indoor-Farming.
Grüne Ernte
Von den wunderbaren Wurzeln begeben wir uns in nachhaltige Höhen – zu einem echten „Bionier“: Das österreichische Unternehmen Herbeus Greens setzt im Anbau seiner nährstoffreichen Microgreens auf das innovative Vertical Farming in seinen Pflanzentürmen in Raasdorf, unweit von Wien. Dieses umweltschonende Anbausystem sieht vor, dieselbe Ackerfläche auf mehrere Stöcke und insgesamt 1.000 Quadratmeter zu stapeln. Dort werden die Pflanzen 365 Tage im Jahr herangezogen. Die Umgebung in den Türmen ist kontrolliert, das bedeutet: UV-Licht und Bewässerung wurden so optimiert, dass das junge Grün ideal gedeiht, während der Verbrauch so gering wie möglich gehalten wird. So können die Spezialisten von Herbeus den Wasserverbrauch um 90 Prozent reduzieren und auf den Einsatz von Pestiziden verzichten. Auch die Lieferwege fallen weg.³
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Farmento
In aller Munde: Das japanische Sojabohnengericht Nattō von Farmento.
Eine weitere österreichische Adresse, die wohl auch in Zukunft die Augen (und Gaumen) auf sich ziehen wird, ist Farmento: Der Familienbetrieb, 2019 bei Carnuntum gegründet, fermentiert Kimchi, Tempeh und das traditionelle japanische Sojabohnengericht Nattō. Wer bei Soja nun sofort an den hohen Ressourcenverbrauch denkt, darf hier aufatmen: Farmento bezieht seine Bio-Sojabohnen direkt aus Niederösterreich. Das schmeckt auch der Branche – so kommt das vegane Superfood Nattō bereits in Haubenrestaurants wie dem taubenkobel oder dem Shiki auf die Teller.⁴

Es müssen also nicht immer Käfer sein: Die Zukunft unserer Ernährung bleibt zwar (noch) ungewiss, ein Blick in die Kristallkugel offenbart aber einige geschmackvolle Lösungen direkt aus Österreich, die Platz und Ressourcen sparen – und ziemlich g’schmackig sind.
Quellenangaben
1 _ Hut & Stiel
hutundstiel.at
2 _ Infinite Roots®
infiniteroots.com
3 _ Herbeus Greens
herbeusgreens.com
4 _ Farmento
farmento.at
5 _ Berger et al.: Mycelium vs. Fruiting Bodies of Edible Fungi – A Comparison of Metabolites. (2022)
ncbi.nlm.nih.gov/pmc/articles/PMC9315710/