tourismus:
the future is now ...

... oder beginnt zumindest schon sehr bald: Immer wieder sorgen diverse Projekte, die mit grüner Architektur und neuester Technologie aufwarten, für Schlagzeilen. Einige davon werden bereits in die Realität umgesetzt, andere wiederum sind reine Zukunftsvisionen. Was sie jedoch alle eint: ihr Anspruch auf Nachhaltigkeit.
Futuristische Stadt am Berg, Green Hotel
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NEOM
The Line in Saudi Arabien: 170 km lang, 500 m hoch, 200 m breit.
wer ans reisen denkt,
wird vermutlich im ersten Moment an die ganz großen Stätten und Destinationen dieser Welt denken: die Akropolis in Athen. Den Eiffelturm in Paris. Das Taj Mahal in Agra. Oder auch die Freiheitsstatue in New York City. Sie alle sind Teil großartiger Städte und seit Jahrhunderten auserkorenes Ziel zigtausender Menschen. Wie die beliebtesten Destinationen und deren Sehenswürdigkeiten in Zukunft aussehen werden, mag vielleicht noch in den Sternen stehen – „hinaufblicken“ können wir jedoch bereits. Einer der „Stars“ unter den Touristenzielen von morgen ist das berühmte Siedlungsprojekt „Neom“ am Roten Meer in Saudi-Arabien, in Auftrag gegeben von Kronprinz Mohammed bin Salman. Das Besondere daran: Das Großprojekt umfasst vier verschiedene Destinationen, die saubere Industrien ebenso einschließen wie den zukünftigen Austragungsort der Winter-Asienspiele 2029 oder eine Luxusinsel für den Tourismus.
Das Meer
Aussicht auf einen Kanal
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NEOM
Die Zukunft in die Wüste schicken?
Dabei konnte vor allem ein ganz besonderes „Neom“-Stadtprojekt die Blicke der Welt auf sich ziehen: „The Line“, ein komplett verspiegelter, innen begrünter Wolkenkratzer gigantischer Ausmaße, der über 170 Kilometer lang, 500 Meter hoch und 200 Meter breit werden soll. Das Bauwerk, eine eigene Stadt in sich, wird ohne Straßen, Autos oder Emissionen auskommen und zur Gänze mit erneuerbarer Energie betrieben werden – die grüne Bandbreite reicht von Solartechnologie über Windkraft bis hin zu smarter Verkehrsplanung, die Drohnen und eVTOLs (fliegende E-Taxis) ebenso vorsieht wie ein unterirdisches Transport- und Versorgungssystem. Laut Plan soll man mittels Highspeed-U-Bahnen und KI-gesteuerten Fahrzeugen von einem Ende der Stadt zum anderen gelangen – und das innerhalb von 20 Minuten. Mikroklimatische Bereiche werden zudem dafür sorgen, dass „The Line“ mit einem ganzjährig idealen Klima punktet. Außerdem entwickelt die Region einen Reiseauswirkungsrechner, der dabei helfen soll, den CO₂-Fußabdruck zu minimieren. Zusätzlich zu den prophezeiten neun Millionen Einwohner:innen erwartet man bis zu fünf Millionen Tourist:innen pro Jahr. Ob und in welchem Ausmaß die Region tatsächlich entstehen wird, kann noch nicht abgeschätzt werden, jedoch zeigten erste Satellitenaufnahmen dieses Jahr, dass man wohl schon mit dem Bau der Linienstadt begonnen hat. Ganz unumstritten ist das Projekt übrigens nicht, sieht es doch die Zwangsumsiedelung ortsansässiger Beduinenvölker vor. Auch der Fakt, dass man eine Wüstenstadt als Winteraustragungsort auserkoren hat, hat international für Kritik gesorgt – und stellt natürlich die Frage in den Raum, inwiefern Nachhaltigkeitskonzepte im Tourismussegment als reiner Trend oder gar Rechtfertigungsstrategie solcher Projekte verwendet werden.
Gebäude mit Pool in der Wüste
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NEOM
Trojena: von der Wüstenstadt zum Wintersportort
Der Ozean — Destination von morgen?
Wo wir schon bei gigantischen Projekten sind: So manch eine:r hat vielleicht schon von der Terayacht mit Namen „Pangeos“ des italienischen Designstudios Lazzarini gehört. Vorgestellt wurde diese auf der letzten Biennale in Venedig und hat dort für ziemliche Furore gesorgt: Denn die Yacht nimmt nicht nur die ikonische Form einer Schildkröte an, sie ist zudem so riesig, dass sie eigentlich schon als eigene Stadt auf dem Wasser gelten darf. So zumindest in der Vorstellung. Denn noch kann die Terayacht nicht gebaut werden: Mit einer Länge von 550 Metern und einer Breite von 610 Metern sind ihre geplanten Ausmaße so riesig, dass zuvor eine eigene Werft errichtet werden müsste. Das Kreuzfahrtschiff soll nicht nur private Villen, große Terrassen, Shoppingzentren und Restaurants sowie einen kleinen Hafen umfassen, sondern auch völlig autark über die Weltmeere fahren, angetrieben von elektrischen Motoren, die Unterstützung von Segeln und Solarpaneelen erhalten.
Die Terayacht ist nicht das einzige ambitionierte Projekt, dessen Antwort auf den Anstieg des Meeresspiegels das Leben und Urlauben auf den Weltmeeren ist. Auch auf den Malediven, welche die Auswirkungen der Klimakrise als eine der ersten zu spüren bekommen werden, arbeitet man bereits fleißig an Konzepten, um auf den Fall der Fälle vorbereitet zu sein. Die sogenannte „Maldives Floating City“ sieht eine widerstandsfähige, umweltfreundliche sowie schwimmende Stadt vor, die ähnlich einer Hirnkoralle angeordnet wird. Nicht nur das: An der Unterseite der Bauten sollen zudem künstliche Korallenbänke angebracht werden. Dies schafft zum einen einen natürlichen Wellenbrecher, zum anderen regt man damit das Wachstum der Korallen an. Geplant sind sowohl Wohnbereiche als auch Hotelareale.
Floating City auf den Malediven
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MALDIVES FLOATING CITY
Maldives Floating City: Der Tourismus von morgen findet, auch auf den Malediven, auf dem Wasser statt.
Die Gegenwart der Zukunft
Natürlich hat bei Weitem nicht jedes dieser Stadtentwicklungsprojekte mit so großer Kritik wie „Neom“ zu kämpfen – eine Vielzahl nimmt auch keine derart gigantischen Ausmaße wie „Pangeos“ an. Vielmehr versucht man derzeit, im Kleinen Großes zu bewirken, sowohl für die Bevölkerung als auch für Tourist:innen. Erst dieses Jahr hat die Europäische Kommission im Zuge ihres Wettbewerbs „European Capitals of Smart Tourism“ die besten Orte, Städte und Regionen innerhalb der EU gekürt, deren Praktiken „als Tourismusdestinationen in den Bereichen Zugänglichkeit, Nachhaltigkeit, Digitalisierung, kulturelles Erbe und Kreativität“¹ besonders erwähnenswert sind. Sei dies nun die Stadt Aarhus in Dänemark, die ihr ehrgeiziges Ziel, bis 2030 zu 100 Prozent emissionsfrei zu sein, mit hoher Wahrscheinlichkeit erreichen wird, oder das spanische Sevilla, das dem Temperaturanstieg der kommenden Jahre und Jahrzehnte mithilfe eines netzbasierten Wassermanagementsystems entgegenwirken will; sei es das Zero-Plastik-Programm von San Sebastián oder auch der Ausbau von Radwegen in diversen Städten wie Essen, Kaunas oder Pafos: Die Projekte, die in Europa umgesetzt werden, sind nicht nur vielfältig, sie stehen zudem bereits kurz vor ihrer Realisierung. Auch digital wird gedacht, so etwa in Helsinki. Hier überlegt man, das bereits smarte öffentliche Verkehrsnetz mit Uber-Booten zu ergänzen, testet autonome Busse und manövriert Touristenmassen mittels einer smarten Map durch die Straßen und Gassen, um Überfüllung zu vermeiden. Und, als wäre es nicht schon genug, dass 75 Prozent der Hotelzimmer als umweltfreundlich zertifiziert wurden, möchte die finnische Hauptstadt bis 2035 CO₂-neutral werden.
Wussten Sie, dass ...
... 81 % der Reisenden weltweit 2022 von der Wichtigkeit nachhaltiger Reisen überzeugt waren?²
... 5 % der CO -Emissionen weltweit 2022 aus dem touristischen Verkehr stammten?²
... die Ökotourismusbranche 2022 172,4 Milliarden US-Dollar wert war?³
Flughafen in Beijing, hell durchflutetes Gebäude, Architektur
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iSTOCKPHOTO
Der Beijing Daxing International Airport setzt auf solare Energieversorgung.
Nicht nur in Bezug auf Reiseziele schreitet die Touristik mit schnellen Schritten in Richtung Zukunft: Auch der Weg zu den diversen Destinationen wird immer nachhaltiger. Auf Flughäfen setzt man vermehrt auf ökologische Konzepte. So stürzt im Jewel Changi Airport in Singapur ein vierzig Meter hoher Wasserfall von der Decke, der das Regenwasser der häufigen Gewitter der Region sammelt. Das Geniale daran: Der Wasserfall ist nicht nur optisch ein echter Hingucker, er sorgt zudem dafür, dass das Gewächshaus des Flughafens mit Wasser versorgt wird und die Luft im Gebäude gekühlt wird. Der seesternförmige Beijing Daxing International Airport, gestaltet von Zaha Hadid Architects, setzt außerdem auf Energieversorgung durch Solarpaneele, eine Erdwärmepumpe, um Abwärme zurückzugewinnen, und ein ausgeklügeltes Regenwassersammelsystem. Wer seinen Reiseweg hingegen effizient und umweltschonend mittels Zug hinter sich bringen will (im Vorjahr betrug der Anteil der elektrifizierten Strecken am gesamten Schienenstreckennetz der ÖBB 74 Prozent⁴), kann in Indien bald auf nachhaltige Modelle umsteigen: Bis 2030 hat sich das Land verpflichtet, den Schienenverkehr durch Solarenergie klimaneutral zu machen – erster Schritt in Richtung dieses Ziels ist der seit 2017 zu 100 Prozent solarbetriebene Bahnhof Guwahati.
Wasserfall im Jewel Changi Airport
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SREEHARI DEVADAS/ UNSPLASH
Der 40 Meter hohe Wasserfall im Jewel Changi Airport in Singapur versorgt das Gewächshaus mit Wasser und kühlt die Luft.
Veränderungen voraus
Die Zukunft wird also tatsächlich zu einem großen Teil schon in der Gegenwart gemacht. Viele der Grundkonzepte und -ideen, wie man ganze Städte, den Verkehr und Transport klimaneutral gestalten kann, sind gerade dabei, erdacht und sogar erprobt zu werden. Ob Megaprojekte wie „Neom“ oder „Pangeos“ in einigen Jahren oder Jahrzehnten tatsächlich in die Tat umgesetzt und den Tourist:innen von morgen als Reiseziele gelten werden, hängt daher auch davon ab, welche Konzepte und Ideen sich heute bewähren.
Der Weg in die Zukunft der Touristik zeigt sich jedenfalls schon sehr viel grüner als dessen Vergangenheit.
Quellenangaben
1 _ Leading examples of Smart Tourism Practices in Europe. smart-tourism-capital.ec.europa.eu
2 _ Statista: Sustainable tourism worldwide – statistics & facts. statista.com/topics/1916/green-tourism/#topicOverview
3 _ Statista: Market size of the ecotourism sector worldwide in 2022, with a forecast for 2028. statista.com/statistics/1221034/ecotourism-market-size-global/
4 _ https://de.statista.com/statistik/daten/studie/1270108/ umfrage/elektrifizierungs-grad-des-oebb-schienennetzes/