tanz trifft leistung

Wei-Ken Grosmann-Liao tanzt nicht nur über Bühnen, sondern bewegt Menschen — mit Präzision, Leidenschaft und Haltung. Und er zeigt: Tanzen ist mehr als Kunst. Es ist Hochleistungssport.
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nadine studeny
Von Wiener Walzer, Cha-Cha-Cha bis Boogie ... YouCanDance bringt Schwung in Gesellschaftstänze.
wenn wei-ken grosmann-liao
heute mit eleganter Leichtigkeit durch sein Studio gleitet, spürt man sofort: Dieser Mensch hat seine Berufung gefunden. Dass seine Karriere einmal auf internationalen Bühnen stattfinden würde – als Musicaldarsteller, Choreograf, Tanzpädagoge – war alles andere als vorgezeichnet. Geboren 1986 in Wien als Sohn chinesischstämmiger Eltern, galt er als unsportliches Kind. Eine Autoimmunerkrankung brachte mit 15 Jahren die Wende: „Ich war nie sportlich – und plötzlich hieß es, ich solle mich mehr bewegen“, erinnert er sich. Also meldete er sich in einer Tanzschule an – ein Schritt, der sein Leben verändern sollte.
Vom Außenseiter zum Ausnahmetalent
„Ich habe einfach alles ausprobiert – Hip-Hop, Jazz, Ballett, Showdance – und sehr schnell auch an Wettbewerben teilgenommen.“ Mit Erfolg: Grosmann-Liao wurde mehrfacher Staats- und Europameister in diversen Showdance-Kategorien, gewann nationale und internationale Titel und wurde 2010 mit dem Sonderpreis als „außergewöhnliches Talent“ ausgezeichnet. Seither ist er auf Bühnen im gesamten DACH-Raum zu sehen – in Produktionen wie West Side Story, A Chorus Line, Aida oder Ghost. Auch als Choreograf hat er sich einen Namen gemacht, etwa mit Arbeiten für ProSieben (Love is King) oder prämierten Produktionen wie La Cage Aux Folles und Dear Evan Hansen. Er ist (Mit-)Träger des Deutschen Musiktheaterpreises – und bislang der einzige chinesischstämmige männliche Musicaldarsteller Österreichs mit einer solchen Bühnenpräsenz.
Sein Weg dahin war alles andere als leicht. „Mein Vater wollte, dass ich etwas Akademisches studiere. Ich habe mich durch meine Musicalausbildung gekämpft – aber als er gesehen hat, dass ich mit Kunst erfolgreich sein kann, war er stolz. Heute ist er sogar so etwas wie ein strenger Dance Dad geworden“, sagt Wei-Ken und lacht.
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Wei-Ken Grosmann-Liao vor der Wiener Staatsoper.
Tanz als echter Sport
Wer meint, Tanzen sei bloße Unterhaltung, irrt gewaltig. Grosmann-
Liao bringt es auf den Punkt: „Tanzen ist ein komplexes, forderndes Ganzkörpertraining.“ Um Bewegungen, Sprünge oder Hebungen auszuführen, braucht es Muskelkraft, Koordination, Ausdauer und Körperspannung – bei professionellen Produktionen über Wochen hinweg täglich. Besonders Sprünge etwa im Jazz oder Ballett stellen hohe Anforderungen: „Bei der Landung wirken bis zu 600 Kilogramm Gewichtskraft auf den Körper. Das ist absolute Spitzenbelastung.“
Auch im Gehirn passiert beim Tanzen Hochleistung: Musik wahrnehmen, Rhythmus halten, Schritte umsetzen, sich im Raum orientieren, Ausdruck zeigen – all das fordert die kognitive Flexibilität. „Tanzen aktiviert mehrere Hirnregionen gleichzeitig – und genau das fördert die Neuroplastizität, also die Fähigkeit des Gehirns, neue Verbindungen zu knüpfen.“ Deshalb zeigen Studien, dass regelmäßiges Tanzen das Demenzrisiko signifikant senken kann – um bis zu 70 Prozent. „Tanzen ist Bewegung, die gleichzeitig Herz-Kreislauf, Muskeln und das Nervensystem trainiert – das schafft kaum eine andere Sportart in dieser Dichte“, so der Tänzer. Und nebenbei senkt Tanzen auch den Stresspegel, kurbelt Glückshormone an und stärkt das Selbstbewusstsein.
You. Can. Dance. — für alle
2023 gründete Wei-Ken Grosmann-Liao mit seinem Geschäftspartner René Hofmann die Tanzschule: YouCanDance – Dein Tanzzentrum in Wien. Was dort unterrichtet wird, geht weit über klassische Tanzkurse hinaus. „Wir wollen zeigen: Tanzen ist inklusiv, integrativ, therapeutisch, präventiv – und für jede:n möglich.“ Im Studio tanzen Kinder, Senior:innen, Menschen mit und ohne Behinderung. „Wir haben Teilnehmer:innen mit Trisomie 21, mit Demenz, mit Rollstuhl. Und alle tanzen mit. Das ist unsere Philosophie.“ Unterrichtet wird alles von Ballett für erwach­sene Anfänger:innen bis zu Musical Dance, Lyrical Jazz, Theatrical Heels, Mobility Workouts und sogar ein Format namens Sing, Dance & Shine – eine Karaoke-Tanzstunde mit garantierter Endorphinwirkung. Grosmann-Liao bezeichnet sich selbst bewusst nicht als Tanztrainer, sondern als Dance Educator. Seine Schwerpunkte: Koordination und Kinetik (oft mit Übungen aus der Neurowissenschaft), Bewegungsqualität und emotionales Commitment.
Bildung in Bewegung
Dass Tanzen auch gesundheitsfördernd wirkt, will Grosmann-Liao weiter verbreiten – und kämpft dafür, dass Tanz in Österreich künftig wie in Großbritannien, Finnland oder Kanada „auf Krankenschein“ verschrieben werden kann. Erste Pilotprojekte im Bereich Social Prescribing laufen bereits. Seine Hoffnung: „Dass Tanzen als Sport- und Gesundheitsangebot ernst genommen wird – nicht nur als schöne Kür, sondern als ganzheitliches, therapeutisches Werkzeug.“ Sein Studio ist längst ein sozialer Hotspot – im besten Sinn. „In einer Tanzgruppe synchron zu werden, bedeutet, sich aufeinander einzulassen, nonverbal zu kommunizieren, Empathie zu zeigen. Das ist wie Teambuilding in Bewegung.“
Mit Haltung auf die Bühne
Trotz internationaler Erfolge und einer zweiten Ausbildung als Social-Media-Profi ist Wei-Ken Grosmann-Liao vor allem eines geblieben: leidenschaftlicher Bühnenmensch. „Ich liebe es, Menschen mit meiner Arbeit zu bewegen.“ Ob auf der Bühne, im Unterricht oder im gesellschaftlichen Diskurs – er nutzt jede Gelegenheit, um zu zeigen, was Tanz kann: verbinden, befähigen, befreien. Denn für ihn ist Tanz kein Selbstzweck. Es ist Haltung. Eine, die sich sehen lassen kann.