kapitalmärkte: zwischen krisen,
inflation und
hoffnung

Ereignisreich. Von Kriegen bis zur Inflation: Das Vorjahr war turbulent. Was 2024 (voraussichtlich) auf uns zukommen wird, verrät Multi-Asset-Manager Christoph Siegele im fair-now!-Gespräch.
Fotocredit:
iSTOCKPHOTO
wir sind uns wohl alle einig:
Das Jahr 2023 brachte weltweit wieder zahlreiche spannende und richtungsweisende Ereignisse mit sich. Einige sehr positive, während andere weniger erfreulich verliefen. Die Palette reicht von Kriegen über die möglicherweise erfolgreiche Präsidentschaftskandidatur von Donald Trump bis hin zur ETF-Zulassung von Bitcoin. Wie immer haben all diese Ereignisse immensen Einfluss auf den Kapitalmarkt – und 2024 verspricht nicht weniger turbulent zu werden, als sein Vorgängerjahr. Das weiß auch Christoph Siegele, Multi-Asset-Manager der fair-finance Vorsorgekasse. Unter den diversen Faktoren, die es über das letzte Jahr hinweg zu evaluieren galt, fanden sich globale konjunkturelle Eintrübungen (erwartete Phasen wirtschaftlicher Abschwächung) ebenso wie zahlreiche geopolitische Sorgen und Kriege. Die Strategie von fair-finance war es hier, den optimalen Mix zu finden. Dies bedeutete, dass man in manchen Assetklassen vorsichtiger positioniert war, während man selektiv in anderen Assetklassen eine Neutral- bis Übergewichtung gefahren ist: Hier setzte die Vorsorgekasse vornehmlich auf die Investmentgrade Corporate Bonds (Unternehmensanleihen bonitätsstärkerer Schuldner) und attraktiv verzinste Hybridanleihen. Das aktuelle Umfeld rechtfertigt die Weiterführung dieser Positionen im neuen Anlagejahr, weshalb vorerst keine maßgeblichen Änderungen nötig sind.
Aktien und Anleihen im Ungewissen
2024 liegt man im Bereich der Aktien und Anleihen noch im Ungewissen. Das vorherige Jahr sah inflationsbedingt große, teils extreme Schwankungen bei Staatsanleihen, was die Aktienpreise maßgeblich beeinflusste. Nach einem Tief beider Anlageklassen im Oktober 2023 kam es zu einer regelrechten Rallye, die bei einigen Aktienmärkten sogar zu neuen Rekordhochs führten – einzige Ausnahme hierzu waren (und sind bis jetzt) die Märkte in China, bei denen ein gegenläufiger Trend zu beobachten ist. Vor allem in den USA werden die Aktienmärkte derzeit „nahe an der Perfektion gepreist“, erklärt Christoph Siegele – das bedeutet, dass in Anbetracht der hohen Preise in Zukunft nicht viel schief gehen darf, um die Bewertungsniveaus zu rechtfertigen. In Europa wiederum haben Aktien derzeit deutlich geringere Bewertungen – dieser Umstand ; diese „pessimistischere“ Einschätzung könnte dabei in den kommenden Monaten zu einer Outperformance führen. „Wir sind der Ansicht, dass auch ein Soft Landing in den USA eine Phase mit niedrige rem Wachstum zur Folge hätte und dadurch die hohen Gewinnerwartungen in den kommenden Quartalen vermutlich schwerer erreicht werden können“, so der Multi-Asset-Manager. Was dazu führen könne, dass die Rallye an den Aktienmärkten länger läuft? Eine stärker als erwartet ausfallende Earnings Season. Eine Rezession erwartet man nach derzeitigem Stand der Dinge nicht – sie würde voraussetzen, dass die antizipierten Konjuktureintrübungen die Arbeitslosigkeitsrate stärker steigen lässt, als erwartet und der allgemeine Konsum, welcher sich derzeit auf einem hohen (aber stagnierenden) Niveau befindet, dadurch stärker sinkt als bisher angenommen. „Ein anderer Faktor, welcher sich vorausblickend negativ auf die Unternehmensgewinne auswirken könnte, sind steigende Finanzierungskosten“, ergänzt Christoph Siegele. „Viele Bonds, mit Ausnahme der Mega-Cap-Unternehmen, werden in den kommenden Jahren zu teureren Konditionen am Markt refinanziert werden müssen.“

Auch die mögliche Wiederwahl von Trump, der bereits in der Vergangenheit durch seine Äußerungen die Märkte bewegt hat, könnte in Zukunft Auswirkungen haben. Dahingegen sieht der Asset-Manager den Einfluss der Kriege in der Ukraine und Israel/Palästina zum jetzigen Zeitpunkt eher begrenzt, solange es nicht zu weiteren Eskalationen kommt. Der künftige Kurs der Aktienpreise, der stark von der wirtschaftlichen und inflationären Entwicklung in den nächsten Monaten abhängt, ist und bleibt ungewiss. Die fair-finance Vorsorgekasse erwartet ein eher volatiles Umfeld und somit „begrenztes Aufwärtspotenzial bei ambitionierten Unternehmensbewertungen“. Auf wahrscheinliche Abweichungen der bisherigen Prognosen werde man also im Fall der Fälle ad hoc reagieren.
Und täglich grüßt …
… die Inflation: Sie ist und bleibt unser täglicher Begleiter. Für die kommenden Monate geht man davon aus, dass der Rückgang der Inflation langsamer vonstattengehen wird als bislang. Die geforderten Lohnerhöhungen der Arbeitnehmer:innen haben voraussichtlich zur Folge, dass die Kerninflation die Headline-Inflation weiterhin übersteigen wird. Die Auswirkungen? Ein schlechterer Ausblick in die Profitabilität der Unternehmen sowie Leitzinsen, die länger auf den hohen Levels verbleiben werden. „Der derzeit eingepreiste Zinssenkungszyklus ist daher unserer Ansicht nach zu ambitioniert – hier hat sich der Markt selbst überholt“, so der fair-finance-Asset-Manager. Auch Themen wie Bitcoin und ki wird man 2024 im Auge behalten. Anfang des Jahres erfolgte die Zulassung von Bitcoin ETF (börsengehandelter Fonds), wo die Kryptowährung nun sehr einfach und sicher gehandelt werden kann. Dies könnte tatsächlich Auswirkungen auf den Markt haben: „Zum Beispiel könnten Kapitalflüsse von Gold oder Aktien in diese Anlageklassen umgelenkt werden.“ In Sachen Künstliche Intelligenz wird man sich, so der Anlagemanager, gedulden müssen: Denn KI wird für Unternehmen gerade erst spannend. Hier steht noch ein langer Prozess der Evaluation und Einschulung der Mitarbeitenden bevor.
2024, quo vadis?
Für das fair-finance-Asset-Management Team werden 2024 einige Faktoren entscheidend sein. Marktbestimmend, laut Christoph Siegele, seien allen voran die stark gestiegenen Zinsen, deren Auswirkungen auf die globale Konjunktur auch die Vorgangsweise der Notenbanken beeinflussen werden. Und die Inflation? Wird im Laufe des Jahres langsam aus dem Fokus rücken. Darüber hinaus rechnet man auch mit derzeit „Unberechenbarem“: „Bestehende Unsicherheitsfaktoren könnten auch in den Vordergrund rücken – wie Geopolitik, die Trump-Rückkehr, die China-Schwäche oder neue Themen, etwa die nicht nachhaltigen Schuldenstände vieler Länder und Unternehmen.“ Soweit die Zukunftsmusik.

Die vorläufige Strategie für 2024 wird sich daher stark an jene des Vorjahres anlehnen. Abermals essenziell: die Investmentgrade Corporate Bonds. „Wie so oft, kommt es aber auf die Mischung an: Es werden auch weiterhin andere Assetklassen wie Hybridanleihen, High Yield Bonds, Emerging Market Bonds eingesetzt. Hier sind die Renditen in fast allen Anlageklassen auf Niveaus, wie man sie zuletzt vor über zehn Jahren gesehen hat“, ergänzt Christoph Siegele. Nur in Sachen Aktieninvestitionen agiere man, aufgrund der oben genannten Faktoren, auch 2024 weiterhin mit Bedacht. Und wie auch in der Vergangenheit, wird man Ereignisse und Veränderungen an den Märkten laufend beobachten – und die Anlagestrategie entsprechend anpassen. 
„Die Zins­steigerungen und Notenbanken-Aktionen dürften die Hauptthemen von 2024 sein.“
Christoph Siegele, Multi-Asset-Manager
der fair-finance Vorsorgekasse AG
Fotocredit:
fair-finance
Kurz erklärt: Headline- vs. Kerninflation
Die sehr volatile Headline-Inflation bezieht sich auf die Gesamtveränderung der Verbraucherpreise und umfasst alle Güter und Dienstleistungen. Im Gegensatz dazu schließt die Kerninflation Elemente wie Energie- und Nahrungsmittelpreise aus, um eine genauere, stabilere Darstellung der Inflationstrends zu ermöglichen.¹
Quellenangaben
¹ _ Statista: Inflationsrate und Kerninflation von Dezember 2021 bis Dezember 2023
de.statista.com/statistik/daten/studie/1378431/umfrage/kerninflation-in-deutschland/