guten flug? nachhaltigkeit im luftverkehr
Höhenflug oder Punktlandung? In der Aviatik strebt man danach, Flugzeuge klimaneutral in die Lüfte zu schicken; mit durchaus vielversprechenden Ansätzen.
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Rund 200.000 Flugzeuge steigen der DLR zufolge täglich in die Lüfte.
die zeiten zigarettenpaffender passagiere,
die in ihren komfortablen Sitzen loungen und Gourmet-Cuisine genießen, während der Jumbojet sie über die Weltmeere trägt, sind längst vorbei. So viel ist auch den Reisenden von heute klar, wenn sie bei Airlines wie EasyJet oder Ryanair zu Spottpreisen um den Globus jetten. Die Devise lautet: höher, schneller, weiter – und vor allem billiger. Der Anstieg des Angebots im Flugreisebereich hat einerseits dafür gesorgt, dass Weltreisen zum alltäglichen Luxus für die Allgemeinheit geworden sind: Wir jetten von A nach B, sammeln Geschichten und blicken – im Idealfall – über unsere Tellerränder. Andererseits stellt uns die Massenabfertigung in der Atmosphäre vor weitreichende Konsequenzen in Hinblick auf Kultur, Natur und Klima. Ein Problem, dessen Lösung der gesamten Tourismusbranche seit Jahren Kopfzerbrechen bereitet.
Abgehoben oder zielgerichtet?
Die Flugbranche strebt nach grünen Lösungen.
Die Flugbranche strebt nach grünen Lösungen.
Höhenflüge mit Konsequenzen
Ein Blick auf die Zahlen des Passagierverkehrs lässt unser Herz erstmal in die Hose rutschen: Unglaubliche 200.000 Stahlvögel weltweit – 22.408 davon allein im europäischen Raum – rollen Eurocontrol zufolge durchschnittlich pro Tag von den Landebahnen dieser Welt. Sie erheben sich in die Lüfte, wo sie nicht nur CO₂, sondern auch schädliche Partikel ausstoßen. Passagierflieger verkehren in einer durchschnittlichen Höhe von neun bis zwölf Kilometern, also noch in der Troposphäre. Dort ist die Luftdichte – und somit der -widerstand – so gering, dass die Motoren besser arbeiten können. Das Problem: Auch die ausgestoßenen Partikel wirken hier um ein Vielfaches effizienter, und somit schädlicher, als in Bodennähe.
Sorgen bereiten den Klimaschützer:innen vor allem die Kondensstreifen – künstliche Wolken aus Wasserdampf, Kohlendioxid, Ruß und Aerosolen –, die bei tiefen Temperaturen entstehen. Sie reflektieren auf der Oberseite zum einen Sonnenlicht, wodurch sie die Erde kühlen, andererseits jedoch absorbieren ihre Eiskristalle die Infrarotstrahlung der Erde und sorgen so für Erderwärmung; dieser Vorgang ist uns unter der Bezeichnung Treibhauseffekt bekannt. Studien der letzten Jahre haben gezeigt, dass der zweite Effekt der künstlichen Wolken, die Erwärmung, den kühlenden Effekt leider um einiges überwiegt. Kondensstreifen weiten sich zudem häufig aus und werden zu Cirruswolken, die bis zu zwanzig Kilometer breit sein können. So sind zwei Drittel der klimaschädlichen Wirkung des Luftverkehrs gar nicht auf den CO₂-Effekt zurückzuführen, sondern auf die Eiskristalle der künstlichen Wolken, die Flugzeuge bei ihrem Höhenflug erzeugen.
Was die Lage zuspitzt: Bis 2040 sollen sich die Zahlen für Passagierflüge, die immerhin rund 80 Prozent des Luftverkehrs ausmachen, noch verdoppeln. Die Vorhersagen sehen größere Flugzeuge und Kapazitätsengpässe an den wichtigsten Hubs wie London Heathrow. Höchste Zeit also, die bereits vorhandenen Alternativen in der Realität umzusetzen.
Was die Lage zuspitzt: Bis 2040 sollen sich die Zahlen für Passagierflüge, die immerhin rund 80 Prozent des Luftverkehrs ausmachen, noch verdoppeln. Die Vorhersagen sehen größere Flugzeuge und Kapazitätsengpässe an den wichtigsten Hubs wie London Heathrow. Höchste Zeit also, die bereits vorhandenen Alternativen in der Realität umzusetzen.
Nachhaltige Aviatik: ein Luftschloss?
Um das Ziel der EU zu erreichen, die in ihrem Green Deal die Klimaneutralität in Wirtschaft und Gesellschaft gleichermaßen anstrebt, arbeitet man nicht nur an einem, sondern an vielen verschiedenen mehr oder weniger vielversprechenden Ansätzen. Für alle gilt, dass sie statt auf fossiles Kerosin auf SAF (Sustainable Aviation Fuel oder zu Deutsch: nachhaltigen Luftfahrttreibstoff) setzen. Unter den Nachhaltigkeitsmodellen finden sich elektrisch oder solar gewonnene Kraftstoffe ebenso wie biogene Treibstoffe, die aus nachwachsenden Rohstoffen wie organischen Abfällen, Getreide oder altem Speiseöl hergestellt werden.
Der Umstieg auf SAF reduziert nicht nur den CO₂-Ausstoß, auch die Entstehung klimaschädlicher Kondensstreifen ist deutlich geringer, da Sustainable Aviation Fuel weniger Eiskristalle enthält. Effektiv bedeutet dies eine verringerte Klimawirkung von 20 bis 30 Prozent.
Der Umstieg auf SAF reduziert nicht nur den CO₂-Ausstoß, auch die Entstehung klimaschädlicher Kondensstreifen ist deutlich geringer, da Sustainable Aviation Fuel weniger Eiskristalle enthält. Effektiv bedeutet dies eine verringerte Klimawirkung von 20 bis 30 Prozent.
An diesem umfassenden Forschungsbereich ist die gesamte Branche beteiligt. Dies verwundert durchaus nicht, denn allen ist klar: Ohne Lösungsansätze wird es Flugreisen, wie wir sie heute kennen, nicht mehr lange geben. Die schnelle Google-Suche nach Nachhaltigkeit in der Aviatik listet fast 41 Millionen Ergebnisse. Wie viele dieser Hits wirklich brauchbar sind, sei dahingestellt; klar ist: Das Thema hat Relevanz. So gibt es Forschungsinstitute, die sich ausschließlich mit der Entwicklung von SAFs beschäftigen, andere wiederum widmen sich der Informationsbereitstellung oder arbeiten an Gesamtkonzepten, um den Flugverkehr leiser, sauberer und smarter zu gestalten. Auch die Airlines selbst haben die Dringlichkeit der Situation erkannt und rüsten graduell um. Die deutsche Lufthansa Group etwa investiert jährlich Milliarden Euro in sparsamere Flugzeuge. Ihr derzeitiges Bestreben ist es, die Stahlvögel effizienter zu konstruieren und somit die CO₂-Emissionen pro Flotte um 30 Prozent zu senken. Langfristig konzentriert sich die Fluggesellschaft jedoch auf den biogenen SAF.
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Zukunftsantrieb: Sustainable Aviation Fuel
✱ Biogener SAF
Biokerosin besteht aus Biomasse wie Algen oder alten Speiseölen. Sie werden durch einen chemischen Prozess zu Brennstoff weiterverarbeitet. Die Produktion ist allerdings kostenintensiv und meist ökologisch ungünstig.
✱ Sun-to-Liquid
Unternehmen wie Synhelion legen ihren Fokus auf klimaneutrale, synthetische Solarkraftstoffe. Die in Hochtemperatur-Prozesswärme umgewandelte Sonnenenergie wird zu Syngas, bestehend aus H₂ und CO, weiterverarbeitet. Über die Standard-Gas-to-Liquids-Technologie wird aus diesem Kraftstoff.
✱ Power-to-Liquid (PtL).
Erneuerbarer Strom wird in flüssige, klimaneutrale Kraftstoffe umgewandelt. Wasserstoff aus grüner Energie wird, mit CO₂ vermischt, chemisch verflüssigt. Das Ergebnis sind synthetische Brennstoffe, die Ausgangsprodukt für beinahe klimaneutrales Kerosin sind.
Mit Speiseöl in die Troposphäre
Auch außerhalb der EU strebt man nach Klimaneutralität: Während die EU bis 2050 lediglich die Halbierung ihrer Emissionen vorsieht, möchte man dieses Ziel im Vereinigten Königreich bereits 2030 erreichen. „Net Zero by 2050“ heißt die Devise: Die Insulaner gehen so weit, bis 2050 zur Gänze klimaneutral sein zu wollen. Ein ambitioniertes Vorhaben, das bereits erste Schlagzeilen vorweisen darf. So jubelten die Briten Anfang dieses Jahres über die Ankündigung von Virgin Atlantic, Ende 2023 den ersten Netto-Null-Flug der Geschichte über den Atlantik schicken zu wollen. Die britische Airline setzt bei diesem London-New-York-Flug auf den biogenen SAF. Der Teesside Airport plant, die Bestrebungen Londons zu übertreffen, und avisiert für 2030 die Netto-Null für seinen gesamten Flughafen: Teesside möchte dabei auf Wasserkraft, den Einsatz effizienter, umweltfreundlicher chemischer Produkte sowie Prozesse und diverse klimaschonende Projekte zurückgreifen. Alle Gebäude sowie die gesamte Infrastruktur des Lufthafens werden auf grüne Energie umgestellt. Hierfür sollen Wasserstofffahrzeuge ebenso zum Einsatz kommen wie elektrische Bodenstromaggregate oder solarbetriebene Stiegen für den Passagierabfertigungsbetrieb. Ein paar Jahre mehr gibt sich der ehrgeizige Airport in Bezug auf die Flugzeuge, die vom Teesside aus in die Welt starten: Diese möchte man bis 2033 gänzlich auf biogenen SAF und, sobald die Technik dies erlaubt, Wasserstoffantrieb umrüsten.
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Im Vereinigten Königreich will man bis 2050 zu 100 Prozent klimaneutral sein.
Neue Luftwege finden
Emissionsarme Treibstoffalternativen sind aber bei Weitem nicht der einzige Lösungsansatz der Branche. Wir erinnern uns an das Problem der mit Kerosin betriebenen Flugzeugmotoren: Sie emittieren Partikel und CO₂ in einer Höhe von rund zehn Kilometern – dort bilden sich die äußerst schädlichen Kondensstreifen. Aber: Diese künstlichen Wolken treten nicht überall auf – sie sind auf gewisse Regionen begrenzt. Neueste Ansätze versuchen daher, klimaoptimierte Flugrouten zu errechnen. Dass die Digitalisierung hierbei eine große Rolle spielt, muss wohl kaum erwähnt werden: Mithilfe computerbasierter Simulationen werden die klimatechnisch „besseren“ Flugwege berechnet. Im Deutschen Zentrum für Luft- und Raumfahrt baut man hierfür auf die eindrucksvollen Großanlagen des Forschungszentrums, darunter Windkanäle, Antriebsdemonstrationen und Forschungsflugzeuge, aber auch Großrechner.
Bis 2050 möchte die EU den Energiebedarf von Flugzeugen halbieren.
Die Zeit fliegt
Dass eine Umstellung auf klimaneutralen Flugverkehr erfolgen wird, ist längst ausgemachte Sache. Es ist also nicht das „Was“ oder „Wie“, das die Aviatik beschäftigt, sondern das „Bis wann“. Die Branche zeigt sich vorsichtig optimistisch. Und wir? Sind es auch – in der Hoffnung, dass wir es schaffen, das Klimasteuer doch noch herumzureißen.
Daten, Zahlen, Fakten
✱ 506 Milliarden
US-Dollar: So hoch war der Umsatz kommerzieller Airlines im Jahr 2022.
✱ 32,2 Millionen
Flüge wurden im Jahr 2022 durchgeführt.
✱ 2,8 Prozent
der weltweiten Gesamtemissionen entfallen auf den Flugverkehr.
✱ 8,2 Milliarden
Flugpassagiere wird es gemäß einer Prognose im Jahr 2037 geben.
Weltweite Luftfahrt. Statista. Quelle: de.statista.com
Eurocontrol Comprehensive Assessment European Aviation. Quelle: eurocontrol.int
Deutsches Zentrum für Luft- und Raumfahrt. Quelle: dlr.de
Eurocontrol Comprehensive Assessment European Aviation. Quelle: eurocontrol.int
Deutsches Zentrum für Luft- und Raumfahrt. Quelle: dlr.de