geboren,
um zu
verhandeln

Verhandeln konnte Silke Annina Hofer schon als kleines Mädchen gut. Ihr Vater brachte ihr schon früh bei, wie man ein gutes Taschengeld aushandelt.
„ICH HABE EINE LEIDENSCHAFT
in meinem Leben, und das sind Verhandlungen. Mein Vater hat mir immer vermittelt, dass es mit Leichtigkeit und Freude geschehen darf." Es ist wenig verwunderlich, dass Silke Annina Hofer nach der Matura internationale Wirtschaftswis­senschaften studierte – in Innsbruck, Melbour­ne, Taipei und Prag. Nach ihrem Abschluss stieg sie bei einem großen österreichischen Lebensmittelhändler in den Einkauf ein. Mit Begeisterung warf sich die damals 23-jährige ins Handelsleben. Endlich konnte sie das, was sie leidenschaftlich gerne tat, als Beruf ausüben. Und das tat sie auch mit vollem Einsatz. Bereits nach kurzer Zeit als Assistentin bekam sie ein interessantes Projekt im Non-Food-Bereich anvertraut, das durch ihr Verhandlungsgeschick zu einem großen Erfolg wurde. So kletterte die engagierte junge Frau rasch die Karriereleiter hinauf. Auslandsaufenthalte folgten, schließ­lich war Hofer in einem Großkonzern für ein Einkaufsvolumen von 1,3 Milliarden Euro verantwortlich: ,,Ich liebte es, acht Stunden am Tag Verhandlungen zu führen, und war in meinem Element." Doch nach 20 Jahren im Job stand plötzlich eine Frage vor den Augen der erfolgreichen Geschäftsfrau: ,,Was ist eigentlich das, was mich wirklich bewegt?“
Portrait Silke Annina Hofer
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Silke Annina Hofer
Gutes Verhandeln heißt immer, in die zu Tiefe gehen, also an mir selbst zu arbeiten.
– Silke Annina Hofer, Verhandlungsexpertin
Neuorientierung
,,Durch meinen harten, unweiblichen Ver­handlungsstil, übernommen von männlichen Rolemodels, spielte mein Hormonsystem verrückt. Aufgrund einer psychischen Erkran­kung meiner Mutter wurde das Fachgebiet der Psychologie zu meiner Leidenschaft." Die Wichtigkeit der Balance von Körper, Geist und Seele war der erfolgreichen Geschäftsfrau be­wusst. Und da war noch etwas anderes, das sie in all den Jahren beschäftigt hatte: der Zusam­menhang zwischen der eigenen psychischen Verfassung und dem Erfolg bei Verhandlungen: „Gewisse Verhaltensweisen oder Redeweisen der Geschäftspartner:innen können negative Gefühle auslösen. Es ist wichtig, seine Trigger­punkte zu kennen." Zudem beobachtete Silke Annina Hofer, dass sie besonders in Verhand­lungen mit Männern Macht abgegeben hatte: ,,Auch supertoughe Frauen schlüpfen in Ver­handlungen mit älteren, dominanten Männern unbewusst in eine Tochter-Vater-Rolle und ziehen den Kürzeren. Dieses Thema hat mich ziemlich geärgert, und deswegen beschäftigte ich mich intensiv damit. Ich stellte mir die Fra­ge, wie man als Frau gut und weiblich authen­tisch verhandelt. Als Mädchen werden viele so konditioniert, dass wir anderen gefallen wollen. Das ist kontraproduktiv beim Verhan­deln." Als Frau ermutigt die Verhandlungsex­pertin andere Frauen, ihren Wert zu erkennen und dafür einzustehen. ,,Meine Beobachtung als Chefin hunderter Mitarbeitenden war, dass Männer, wenn sie Familienväter wurden, noch stärker für sich bei Gehaltsverhandlungen andrückten. Frauen hingegen erlebten mit der Geburt ihres ersten Kindes einen Karriere- und Einkommensknick, weil sie sich nicht trauten, für sich zu verhandeln. Gerade sehr kompeten­te und fähige Frauen sind oft sehr selbstkritisch und transportieren diese Unsicherheit nach außen. Dabei ist das Thema Selbstwert in der Verhandlung so wichtig. So entstand in mir der Wunsch, für Frauen einen Verhandlungsansatz zu gründen, um mit Leichtigkeit und Freude verhandeln zu lernen und für ihren eigenen Wert einzustehen. Wenn ich nämlich zu wenig Selbstwert habe, gebe ich zu viel Macht über mich ab. Das wird in Verhandlungen vom Gegenüber erkannt und zu dessen Vorteil ausgenützt."
Die Frauen-Starkmacherin
So war eine berufliche Neuorientierung die logische Konsequenz und ein Herzensanliegen. Heute berät Silke Annina Hofer als selbständi­ge Verhandlungstrainerin vorwiegend Frauen. Sie ist überzeugt: ,,Das, was ich über mich selbst denke, transportiere ich nach außen.
In unserem Wertesystem sind wir von be­stimmten geschlechtsspezifischen Meinungen geprägt, daher haben es Frauen beispielsweise schwerer, sich im Business zu etablieren. Diese Muster müssen gelöst werden, damit Frauen nicht immer wieder unbewusst Macht abgeben." Zudem findet Hofer es interessant, dass der Verhandlungserfolg vom weiblichen Zyklus abhängig ist: ,,Während der Phase des Eisprungs verhandelt eine Frau wesentlich besser." Dieses Wissen erleichtert es einer Frau, sich besser mental auf Verhandlungen vorzube­reiten, auch wenn es nicht immer möglich ist, dies terminlich anzupassen. Genau dieses men­tale Vorbereiten ist Hofer so wichtig. Verhand­lungstechniken seien wichtig, das Gesamtpaket mache jedoch den Erfolg.

Silke Annina Hofer hat ihre Berufung gefun­den: große Firmen aller Branchen beauftragen sie und ihre Verhandlungsakademie „You are Gold" (www.you-are-gold.com) für Trai­ningseinheiten. Sie hilft vorwiegend Frauen, ihre Triggerpunkte und die subtile Machtein­wirkung von Männern auf Frauen zu erkennen. ,,Viele Männer handeln aufgrund ihrer eige­nen Prägung unbewusst mit Machtgehabe“, weiß die Verhandlungstrainerin, ,,in meinen Trainings, auch in individuellen Einheiten, üben wir Verhandlungssituationen. Ich betreue beispielsweise auch junge Anwältinnen und begleite Frauen bei Scheidungs- und anderen Gerichtsverhandlungen. Es geht darum, dass Frauen sich trauen, das zu kommunizieren, was sie wirklich sagen möchten. Man muss in einer Verhandlung nicht immer reden. Die Stille ist die beste Machterhöhung in einer Verhand­lung, oft schwer auszuhalten beim Gegenüber." Silke Annina Hofer hilft anderen, ihren weibli­chen, erfolgreichen und vor allem angstbefrei­ten Verhandlungsstil zu entwickeln. Man sieht der ehemaligen Businessfrau an, wie sehr sie diese weit über einen Beruf hinausgehende Tä­tigkeit begeistert. Und treu geblieben ist sie ja dem Thema, das sich wie ein roter Faden durch ihr Leben zieht: Verhandeln.