„Schaden anzurichten und davon zu profitieren ist weder fair noch zukunftsfähig.“ Klaus Gabriel, independent consultant fair-finance,
www.geldundethik.com

fair anlegen

Fotocredit:
TIMO FILKORN

„Fair in alle Richtungen und für alle Beteiligten“. Dieser Grundgedanke von fair finance wird im Social Entrepreneurship Venture Capital Fonds sichtbar. Der Wirtschafts- und Sozialethiker Klaus Gabriel ist Mitglied im Impact-Beirat und berät Sinnova und die fair-finance Vorsorgekasse. Er erklärt, wie dieser Fonds funktioniert, welche Vorteile der Fonds für einzelne Unternehmen und die Gesellschaft bietet und welche Risiken er beinhaltet.

Was verstehen Sie unter ethisch-nachhaltig?
klaus gabriel:
Ethisch nachhaltig ist nicht als Doppelung zu verstehen, sondern vielmehr als ethische Reflexion der „Nachhaltigkeit“. Letztere hat verschiedene Herangehensweisen und Definitionen. Für viele Menschen erscheint der Klimawandel als das größte Problem. Für andere ist jedoch die Reduktion der Armut die größte Herausforderung. In der Nachhaltigkeitsforschung sprechen wir dabei von einem Such- und Lernprozess, für den es keine fixe Formel gibt. In jedem Fall ist es wichtig, dass persönliche Werthaltungen in einen solchen Reflexionsprozess mit hineingenommen werden, die man dann auch mit anderen Werten abwägen muss.
Inwiefern findet man diese ethische Nachhaltigkeit im Social Entrepreneurship Venture Capital Fonds?
Im Impact-Beirat gibt es klare Vorgaben, nach welchen Gesichtspunkten ein für den Fonds eingereichtes Projekt zu bewerten ist. Der englische Begriff „social“ meint dabei nicht bloß sozial, sondern „gesellschaftsfair“. Daraus resultieren viele soziale und ökologische Aspekte. Im Social Entrepreneurship Venture Capital Fonds werden nicht nur Projekte finanziert, die einen klaren sozialen Beitrag liefern, sondern auch Projekte, die über eine ökologische Lösung einen gesellschaftlichen Beitrag leisten. Die Projekte zu verstehen und zu bewerten ist eine Herausforderung für uns im Beirat. Nicht immer überzeugt eine großartige Technologie, die vorgestellt wird. Uns geht es vor allem um den gesellschaftlichen Impact eines Geschäftsmodells. Wir unterscheiden dabei auch zwischen dem Outcome, also was eine Innovation bei einer Zielgruppe bewirkt, und dem Impact, also wie sich die Gesellschaft durch eine Projektidee verändert: Wird sie zukunftsfähiger, gerechter sowie ökologisch tragfähiger? Nicht wesentlich für uns im Beirat ist es hingegen, ob ein Projekt ökonomisch erfolgreich ist. Erst nach unserer Entscheidung, ob ein vorgestelltes Projekt einen gesellschaftlichen Mehrwert generiert, wird in einem darauf aufsetzenden Due-Diligence-Prozess geprüft, ob es wirtschaftlich rentabel ist bzw. was die einzelnen Unternehmen verändern müssten, damit ihre Projekte ökonomisch tragfähig werden. Diese Vorgehensweise empfinde ich als sehr clever, weil wir im Impact-Beirat dadurch unbelastet auf die Projekte blicken können.
Was bedeutet der Fonds konkret für die einzelnen Firmen?
Die meisten dieser Unternehmen sind junge Unternehmen, die eine Idee haben, damit schon erste Erprobungen am Markt gemacht haben und bereits einen sogenannten Meilenstein vorweisen können. Sie können beweisen, dass sich ihr Konzept auch wirtschaftlich bewährt hat. Das heißt, das Projekt muss bereits so etabliert sein, dass es nicht nur auf dem Reißbrett existiert, sondern praktische Erfahrungen gesammelt wurden. Der Fonds finanziert also nicht die Gründung dieses Projekts, sondern unterstützt in einer zweiten Welle die Unternehmen, damit sie auch marktfähig bleiben und wachsen können. Oft kommen durch solche Investitionsprüfungen auch Erkenntnisse zutage, die den Unternehmen helfen, Herausforderungen zu meistern. Gerade Sozialunternehmen verfolgen oft ein Ziel, das sie nur sukzessive und erst mit einer bestimmten Größe realisieren können. Da ist es wichtig, dass sie auf ihrem Entwicklungspfad auch immer wieder Investoren finden, die sie darin unterstützen. Hier versucht der Fonds, die Unternehmen durch Eigenkapitalbeteiligungen noch einmal auf eine andere Ebene zu hieven, mit denen sie dann ihre Produkte und Ideen auch weiterentwickeln können.
Die Bezeichnung des Fonds beinhaltet das Wort „venture“, was soviel wie Risiko bedeutet. Welche Risiken entstehen, und vor allem für wen?
In erster Linie sind damit jene Risiken gemeint, die für den Investor entstehen. Gerade bei jungen Unternehmen und Start-ups ist nicht von vornherein klar, ob die Geschäftsidee aufgeht und das Geschäftsmodell funktioniert. Nicht jede gute soziale oder ökologische Idee kann sich in der Praxis auch durchsetzen. Eine technische Innovation kann schnell überholt sein oder ein anderes Unternehmen kann die gleiche Wirkung mit geringeren Kosten erzielen – in solchen Fällen kann der Wert einer solchen Beteiligung sinken und im schlimmsten Fall das eingesetzte Kapital verloren gehen. Ein Risiko hat man grundsätzlich bei jedem Investment, aber bei Venture Capital kommt hinzu, dass man solche Beteiligungen nicht schnell abstoßen kann – im schlimmsten Fall bleibt man darauf sitzen. Das wirtschaftliche Risiko gut einzuschätzen ist daher besonders wichtig. Auf der anderen Seite können solche Beteiligungen aber hohe Renditen abwerfen, wenn die Geschäftsidee funktioniert. Eine Möglichkeit, dieses Risiko zu reduzieren, ist es, mehrere solcher Beteiligungen in einem Fonds zu bündeln, um das Risiko zu verteilen. Beim Social Entrepreneurship Venture Capital Fonds kommt hinzu, dass einzelne Beteiligungen nur bis zu einem Maximalbetrag von EUR 500.000 möglich sind. Der Hauptgrund, warum man als ethisch-nachhaltiger Investor Venture Capital bereitstellt, ist aber, dass man damit unmittelbar und effektiv dort Geld investiert, wo es zur Lösung gesellschaftlicher Herausforderungen gebraucht wird. Und das ist ja die erklärte Absicht von fair-finance: das Geld dort einzusetzen, wo es nicht nur eine Rendite abwirft, sondern darüber hinaus auch einen gesellschaftlichen Nutzen erzeugt. Dies ist ein wichtiges Anliegen von fair-finance. Dazu gehört auch, dass sich fair-finance aus ethischen Gründen nicht an gerade aktuell lukrativen Investitionen an der Börse wie etwa an der fossilen Energiebranche oder an der Rüstungsbranche beteiligt, weil dies mit unseren Vorstellungen von Fairness nichts zu tun hat. Natürlich macht es sich eine Vorsorgekasse, die diese ethisch-nachhaltigen Gesichtspunkte erfüllen möchte, schwerer als Mitbewerber, die darauf überhaupt keinen Wert legen. Aber genau dafür steht fair-finance.

Bei Venture-Capital-Beteiligungen entstehen Risiken aber nicht nur für den Investor, sondern auch für die Unternehmen, an denen sich ein Venture-Capital-Investor beteiligt. Fairness ist auch hier wichtig. Im Social Entrepreneurship Venture Capital Fonds versucht man, dem Namen fair-finance gerecht zu werden, indem man die finanzielle Beteiligung auf der Basis fairer Vertragsbedingungen umsetzt. Es gelten für beide Parteien entsprechende Regeln, wie man sich in einem solchen Beteiligungsverhältnis verhält. Dies gilt zum Beispiel auch für Fristen, in denen man sich wieder voneinander lösen kann. Das Unternehmen soll nicht Gefahr laufen, sich einem Investor auszuliefern, der dann das Projekt in eine vom Unternehmen ursprünglich nicht gewollte Richtung lenkt. Das ist die Idee von fair-finance.
Vier Start-ups stellen sich vor
Saphenus®
Das Unternehmen Saphenus® hat ein sensorisches Feedback-System entwickelt, das als Conversion-Kit an jede Bein- und Fußprothese angebracht wird. Dadurch wird eine Prothese eine fühlende Prothese, und jede Bewegung am Boden wird vom User wahrgenommen. Weltweit erstmalig, wird es damit möglich, mit dem Prothesenfuß Untergrund zu spüren, ohne Sichtkontrolle zu gehen und durch den „Sense of Touch“ den Phantomschmerz drastisch zu reduzieren. 2016 gegründet, agiert das Unternehmen inzwischen in Märkten in Europa und in den USA und will die Art und Weise der prothetischen Versorgung disruptiv verändern — hin zu mehr Lebensqualität und sozialer Teilhabe.
www.saphenus.com
Fotocredit:
SAPHENUS MEDICAL TECHNOLOGY
Fotocredit:
ÖSTERREICHISCHE LOTTERIEN/ ACHIM BINIEK
tech2people GmbH
Gregor Demblin, selbst seit 1995 querschnitt-gelähmt, holte 2017 das erste private Exoskelett aus Deutschland nach Wien, das ihm nach fast 25 Jahren im Rollstuhl ermöglichte, wieder aufrecht zu gehen. Das Therapiezentrum, derzeit im Krankenhaus Göttlicher Heiland im 17. Bezirk in Wien, ist das erste ambulante robotische Neurotherapie-Programm für Personen mit Querschnittlähmung, Multipler Sklerose oder Schlaganfällen in Österreich, mit dem Betroffene zu einer Selbstständigkeit zurückfinden können. Zudem entwickelte tech2people ein Datenmodell, mit dem erstmalig Fortschritte in der Neuro-, Physio- und Ergotherapie messbar dargestellt werden können bzw. zukünftig eine Anpassung an die individuellen Patientenbedürfnisse möglich wird.
www.tech2people.at
Memocorby
Das digitale Therapietool Memocorby dient der Prävention und der Therapie bei Demenz sowie zum Wiedererlernen der Sprache nach einem Schlaganfall. „Bei Memocorby steht der demenzkranke Mensch im Mittelpunkt. Unser oberstes Anliegen ist, das Motto des UN-Generalsekretärs Ban Ki-moon — ‚Niemanden zurücklassen‘ —, auf jene Generation umzulegen, die ein Land bzw. Europa mitaufgebaut hat und hier unsere größte Unterstützung und Achtung erfahren sollte. Es ist uns wichtig, einen Beitrag zu leisten und unser Produkt sowie unsere Unternehmens - politik nachhaltig und fair zu gestalten“, erklärt Mag. Dr. Elisabeth DokalikJonak, Geschäftsführerin und wissenschaftliche Leitung von Memocorby. 
www.memocorby.com
Fotocredit:
KATRIN SCHÜTZENAUER
Fotocredit:
MARTIN ANGER
Brainhero
Das Unternehmen bietet die erste CE-zertifizierte Neurofeedback-Therapie für Kinder mit Autismus und ADHS für zuhause. „Wir sind ein junges MedTech-Unternehmen mit einer sozialen Mission. Wir helfen Menschen mit neurologischen Problemstellungen, mit ihren Herausforderungen besser umgehen zu lernen. Dabei nutzen wir Technologien, die es normalerweise nur bei Spezialisten gibt, und bringen diese nach Hause. Unsere erste Patientenzielgruppe sind dabei Kinder mit Autismus oder ADHS. Das hat den Hintergrund, dass ich selbst Vater einer betroffenen Tochter bin“, so Christof Götz, Gründer von Brainhero.
www.brainhero.eu