die welt
abschreiten

Was in früheren Jahren den Wandergesell:innen vorbehalten und nicht unbedingt en vogue war, wird heute zunehmend beliebter. Nicht erst, seitdem viele den Jakobsweg beschreiten, liegt „Ich bin dann mal zu Fuß unterwegs“ im Trend.
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über 62.000 kilometer
– vom Nordkap bis Südfrankreich und von Patagonien bis Australien – hat Christine Thürmer bereits zurückgelegt, das entspricht einem Weg eineinhalbmal um die Erde. Die 1967 in Forchheim geborene Thürmer ist eine Spätberufene. Erst im Alter von 40 Jahren gab die abenteuerfreudige Frau im Jahr 2007 ihren gutbezahlten Managerjob auf und wurde professionelle Langstreckenwanderin. Heute darf sie sich als „meistgewanderte Frau der Welt“ bezeichnen.
Das bedeutet nicht nur über 40 ausgetretene Paar Schuhe und über 3.000 Fertiggerichte, sondern auch über 2.000 Nächte im Zelt und unzählige Begegnungen mit wild lebenden Tieren. Für sechs Monate im Jahr verlässt die passionierte Weitwanderin ihre Homebase, eine Einzimmerwohnung in einem Berliner Plattenbau, um die Welt zu Fuß – mitunter auch per Paddelboot oder Fahrrad – zu erkunden. Belohnt wird sie mit wunderbaren Freundschaften und Begegnungen rund um die Welt.
Dusche und Bett sind Luxus
Christine Thürmer geht mit leichtem Gepäck durchs Leben. Nicht mehr als fünf Kilogramm wiegen ihre Habseligkeiten, die sie auf ihren Wanderungen mit sich trägt. Einmal pro Woche gönnt sich die ehemalige Topverdienerin auf ihren Wanderungen ein Hotelzimmer: Eine Dusche, ein weiches Bett und ein Schokoriegel sind für sie der totale Luxus und Glücklich­macher. Angst hat die meistgewanderte Frau der Welt keine. Auf ihren einsamen Wegen und beim Wildzelten ist die größte Herausforderung „das Leben im Dreck“. Zeit für Eitelkeit bleibt einem da keine, denn die Kleidung muss nicht modisch, sondern funktionell sein, und einen Spiegel gibt es in der Wildnis ohnehin nicht.
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Bestsellerautorin Christine Thürmer
In ihrem neuesten Buch präsentiert Thürmer detaillierte und erprobte Tipps für Wanderfreudige. Auf ihren Vortragsreisen, die die meistgewanderte Frau der Welt auch ab und zu nach Österreich führen, berichtet sie von ihrer Motivation, immer wieder loszuziehen.

Auf 25 Wegen um die Welt — Die Lieblingstrails der meistgewanderten Frau der Welt, Malik Verlag, ISBN 9783890295565
Ein Leben auf Sparflamme
Christine Thürmer liebt die Einsamkeit bei ihren Solotouren. Sie kommt gut mit sich selbst zurecht und möchte noch viele Jahre zu Fuß unterwegs sein. Den Grundstein, der ihr diesen Lebensstil ermöglicht, hat sie bereits in ihren Berufsjahren gelegt. Ressourcenbewusst war die Langstreckenwanderin schon immer. Die Vorsorge, die sie in ihren Berufsjahren getroffen hat, bietet ihr heute die Möglichkeit, von ihren Ersparnissen und Erträgen zu leben. Thürmer lebt ein Leben auf Sparflamme, mit dem Bonus größtmöglicher Freiheit, die es ihr erlaubt, bereits die nächste große Weitwanderung zu planen. Und mit dem unbeschreiblichen Glücksgefühl, wieder ein Etappenziel erreicht zu haben. 
Einmal rund um den Äquator
Interview mit Markus Schlagnitweit
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Privat
Markus Schlagnitweit: „Das wichtigste Investment sind soziale Beziehungen.“

Zu Fuß ein Land zu entdecken, ist die nachhaltigste Form des Reisens. Markus Schlagnitweit – Priester, Sozialethiker, Direktor der Katholischen Sozialakademie Österreichs und Vorsitzender des fair-finance-Kundenbeirats – erzählt von seiner Motivation und den Erfahrungen auf seinen Fußreisen.

Wie ist die Idee zum Weitwandern entstanden? Seit wann sind Sie unterwegs?
Meine erste richtige Weitwanderung fand 1980 nach der Matura in Lappland statt. Dabei merkte ich schnell, dass Weitwandern die intensivste Art des Reisen darstellt. Reisen bedeutet für mich nicht, das schöne Wetter oder das Klima in südlichen Regionen zu genießen oder eine Kulturstätte nach der anderen zu besuchen. Wer zu Fuß geht, weiß, dass er hier Begegnungen macht, die anders nicht möglich wären.

Wie viele Kilometer haben Sie ungefähr bereits in Summe zurückgelegt?
Meine Fußreisen dauern durchschnittlich zwei bis vier Wochen mit täglichen Etappenlängen von sechs bis zehn Stunden.
Bepackt mit mindestens 15 Kilogramm, gehe ich täglich, abhängig von den zurückgelegten Höhenmetern, 15 bis 30 Kilometer. Das bedeutet, dass ich in rund 40 Jahren Weitwandern wohl mindestens um den halben Äquator, also rund 20.000 Kilometer, gegangen bin.

Was motiviert Sie?
Einerseits meine Reiselust, das heißt die Erweiterung des eigenen Horizonts durch die Begegnung mit anderen Lebensformen und Kulturen, Sprachen und Ländern. Die traditionelle Form des Tourismus, der ein Wirtschaftszweig geworden ist, bereitet mir hingegen oft ein schlechtes Gefühl. Ich meine damit die Art Tourismus, die ein Land „ausbeutet“, ohne das Land wirklich kennenzulernen. Beim Reisen zu Fuß habe ich ganz andere Erfahrungen und Begegnungen: Bei meiner letzten Weitwanderung von Albanien bis Thessaloniki etwa wurden wir an manchen Tagen so häufig von Einheimischen entlang des Weges eingeladen, dass ich dachte, wir würden unser Etappenziel nicht mehr erreichen. Für die Menschen im Landesinneren ist es selbst ein Erlebnis, wenn ein Fremder vorbeikommt, sie sich mit ihm unterhalten und ihn auch bewirten können. Es ist eine menschliche Begegnung auf Augenhöhe.

Hatten Sie auf Ihren Reisen eine ganz besondere Begegnung? Und was haben Sie daraus gelernt?
Einmal kamen wir am späteren Nachmittag in ein abgelegenes griechisches Dorf. Wir suchten einen Platz, an dem wir unser Zelt aufstellen konnten, da es in diesem Ort keine Pension gab, und trafen einen Mann, der Englisch konnte. Spontan ließ er uns auf einem seiner Grundstücke zelten, wo wir auch den Wasseranschluss nutzen konnten. Wir fragten um ein Gasthaus, um etwas essen zu können, und wollten den Mann als Dankeschön zum Essen einladen. Er kam dann auch tatsächlich mit seiner Frau, und wir verbrachten einen schönen Abend miteinander. Als wir zahlen wollten, meinte der Wirt: „Es ist bereits alles bezahlt.“ Solche und ähnliche Begegnungen erlebe ich regelmäßig auf meinen Fußreisen. Es ist so bewegend, zu sehen, mit welcher Selbstverständlichkeit Gastfreundschaft überall auf der Welt stattfindet. Das hat mich gelehrt: Wenn jemand an meine Tür klopft oder ein Fremder auf der Straße Hilfe braucht, dann möchte auch ich Gastfreundschaft üben und ihn nach Möglichkeit unterstützen.

insider-
tipps für unvergessliche naturerlebnisse

Sofia und Andreas Weissinger bezeichnen sich selbst als die „WeissingBären aus dem Weinviertel“. Ihr Spezialgebiet: Wandern was das Zeug hält. Sofia genießt nicht nur sportlich-flotte Bewegung an der frischen Luft, sondern schreibt darüber auch auf ihrem Blog flowerlines.at. Andreas plant spannende Touren, fungiert als Sherpa und hält die schönsten Momente mit der Kamera fest. Eine Tour ohne Einkehr ist für beide eine Tour ohne Wiederkehr, deshalb finden sich immer empfehlenswerte Hütten auf der Strecke. Allen Touren ist gemein, dass man keine Klettererfahrung oder Alpinausrüstung benötigt.
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Tourentipp Nr. 1
Überraschung garantiert – Otto-Kandler-Haus am Hohenstein
Der Hohenstein ist mit seinen knapp 1.200 Metern nicht der höchste Berg der niederösterreichischen Voralpen, aber sicher einer der kulinarisch spannendsten. Die Alpenvereinshütte – das Otto-Kandler-Haus – am Hohenstein wird nämlich jedes Wochenende von Mai bis Oktober abwechselnd von verschiedenen engagierten Hüttenteams betrieben. Serviert werden liebevoll gekochte regionale wie auch internationale Schmankerl, vom würzigen veganen indischen Linsencurry bis zu Omas urigem Holzofen-Schweinsbraten. Einfach herrlich ist der Blick von der Aussichtsterrasse auf den Schneeberg, Ötscher oder Hochschwab. Auf den Hohenstein führen viele Wege, einer der schönsten ist der vom im idyllischen Dirndltal gelegenen Ort Sois durch unberührten Mischwald auf den Gipfel. Empfehlenswert ist der Abstieg durch den einsamen Löbelgraben entlang des wildromantischen Mirabachs zurück zum Ausgangspunkt der Tour.
✱ Fazit: Genussreiche Tagestour, auch für gemütliche Wandernde geeignet
✱ Wegstrecke: 13 Kilometer, Gehzeit 4–5 Stunden, 850 Höhenmeter
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Tourentipp Nr. 2
Unterberg im rosa Erika-Kleid — nicht nur für Botanik-Fans
Sofias Herzensempfehlung für den Spätwinter- oder Vorfrühling Ende Februar, Anfang März ist eine winterliche Wandertour auf den Unterberg etwa 50 Kilometer südwestlich von Wien. Ein florales Erlebnis, nämlich genau dann, wenn sich die Nordhänge des Unterbergs in allen Rosa-Schattierungen einfärben und die Südhänge von erblühenden Schneerosen gesäumt sind. Startpunkt ist der Wanderparkplatz am Dürrholzer Kreuz. Der Steig Richtung Unterberghaus schlängelt sich malerisch durch Föhrenwald auf den Blochboden und führt weiter über Almwiesen bis zum Gipfelkreuz auf 1.342 Metern. Die Aussicht ist grandios, der Schneeberg zum Greifen nahe. Zur obligatorischen Hütteneinkehr im Unterberg Schutzhaus ist es nicht mehr weit. Zurück darf man ruhig nochmals den Abstieg durch die wunderbaren rosa Blütenpölster nehmen und sich an dieser kurzlebigen, aber umso beeindruckenderen Pracht erfreuen!
✱ Fazit: Tagestour mit Naturerlebnis, auch für gemütliche Wandernde geeignet
✱ Wegstrecke: 11,5 Kilometer, Gehzeit 4–5 Stunden, 700 Höhenmeter
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Tourentipp Nr. 3
Ab durch die Mitte. Spektakuläre Sasso-Lungo Wanderung in den Südtiroler Dolomiten
Eindrucksvoll thront das zackige Langkofelmassiv hoch über Wolkenstein im Grödenertal – lediglich ein scharfer Einschnitt, die Forcella Sasso Lungo, durch-
trennt diesen Berg. Dies bietet ambitio­nierten Wandernden die einmalige Möglichkeit, durch diesen imposanten Felsberg in der Mitte durchzuwandern. Ausgehend vom Passo Sella führt der Weg zuerst sanft ansteigend zum südlichen Wandfuß des Bergmassivs. Das Dolomiten-Panorama lässt jedes Wanderherz höherschlagen. Am höchsten Punkt der Wanderung bietet das Toni-Demetz-Haus auf 2.681 Metern einzigartige Ausblicke und herzhafte Stärkung. Danach wartet das Highlight der Tour: Die Durchwanderung der Scharte und der Abstieg auf dem oft noch im Hochsommer von Eis und Schnee gesäumten Weg. Retour geht’s nicht minder eindrucksvoll über die Emilio-Comici-Hütte zurück zum Ausgangspunkt der Tour. Geübte Trailrunner können jedes Jahr im Juni das Langkofel-Massiv im Zuge des Saslong-Halbmarathons umrunden – ein einmaliges Erlebnis.
saslong.run/de
✱ Fazit: Eine der schönsten Tagestouren in den Dolomiten, für ambitionierte Wandernde geeignet
✱ Wegstrecke: 14 Kilometer, Gehzeit 5,5–6,5 Stunden, 900 Höhenmeter
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Tourentipp Nr. 4
Schneeberg-Überquerung —Höhenmeter de luxe für Konditions-Enthusiast:innen
1.200 Höhenmeter in einem Aufstieg nur eine Autostunde von Wien entfernt? Diese Schneeberg-Überquerung ist genau das Richtige für Ausdauerhungrige. Gestartet wird im Schneebergdörfl, von wo der Weg zum Wanderparkplatz Losenheim und super-knackig-steil via Edelweißhütte (Einkehrtipp) auf den anspruchsvollen Fadensteig führt. Kurze, seilversicherte Kletterpassagen inkludiert, diese mindern aber selbst bei Höhenangst kaum den Spaß an der Schinderei. Am Schneebergplateau angekommen, führt der Weg nun direttissima, aber etwas flacher, zur Fischerhütte auf 2.049 Metern. Jetzt beginnt der genussvoll lange Abstieg via Bergstation Hochschneeberg, Baumgartner Hütte mit den obligatorischen und wohlverdienten Riesenbuchteln, und dann geht es auf dem Geheimtipp-Abstieg am Kaltwassersattel links entlang der gelben Markierung direkt ins Schneebergdörfl retour.
✱ Fazit: Anspruchsvolle Tagestour zum Auspowern für ambitionierte Wandernde
✱ Wegstrecke: 19,5 Kilometer, Gehzeit: 6,5–7,5 Stunden, 1.200 Höhenmeter
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Tourentipp Nr. 5
4Berge3Seen — Die schönsten Ausblicke auf das Salzkammergut
Wer Gipfelmomente und beeindruckende Aussichten liebt, ist hier goldrichtig. Diese Mehrtageswanderung vereint die Crème de la Crème des Salzkammerguts. Die
4Berge3Seen-Tour startet in Fuschl am See, führt über das Zwölferhorn (Einkehrtipp: idyllische Lärchenhütte) nach St. Gilgen, von dort entweder quer über den Wolfgangsee per Boot nach St. Wolfgang oder auch zu Fuß den See entlang bis auf die höchste Erhebung der Tour, die Schafbergspitze. Von hier oben den Sonnenuntergang oder -aufgang zu erleben, ist das ultimative Erlebnis. Ab ins Tal Richtung Mondsee über Almkogel und unter der spektakulären Drachenwand via Schober zurück an den Fuschlsee. Tipp: Der Fuschlsee-Tourismus organisiert Gepäcktransfer und passende Unterkünfte als Wander-Package.
✱ Fazit: Anspruchsvolle 4-Tages-Wanderung für ausdauernde Tourenfreunde, die Wert auf Genuss und traumhafte Aussichten legen.
✱ Wegstrecke: 65 Kilometer, Gehzeit täglich zwischen 6 und 7,5 Stunden, 3.400 Höhenmeter Anstieg insgesamt
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Sofia & Andreas Weissinger
Tourentipp Nr. 6
Immer am Abgrund entlang —spektakuläre Kraterwanderung auf Santorini
Eine unvergleichliche Wanderung auf der traumhaften Kykladeninsel Santorini bietet ultimatives Griechenlandflair, kombiniert mit faszinierenden Ausblicken. Startpunkt ist die Kirche von Firostefani. Der Weg führt ausnahmslos spektakulär an der Steilküste entlang bis zum idyllischen Endpunkt Oia im Norden der Insel. Gleich am Anfang der Tour befindet sich eines der Highlights – der hoch gelegene Ort Imerovigli, wo sich blaue Kuppeln, weiße Häuser, pinke Bougainvilleas und das tiefblaue Meer im Hintergrund als perfekte Fotokulisse anbieten. Für fitte Wandernde bietet sich ein Abstecher auf den imposanten Skaros-Felsen an. Empfehlenswert ist diese Tour im Frühling und Herbst, da weniger Andrang und geringere Sonnenbrandgefahr herrscht. Urige Einkehrmöglichkeiten gibt es entlang der Wegstrecke. Retour nimmt man ab Oia dann am besten den Bus zum Ausgangspunkt der Wanderung.
✱ Fazit: Gemütliche Halbtageswanderung, auch für Hobbywandernde geeignet.
✱ Wegstrecke: 10 Kilometer, Gehzeit zwischen 4 und 5 Stunden, 400 Höhenmeter Anstieg