die kunst der nachhaltigkeit

Packend. Verpackungsmüll und zigtausende Transportkilometer: Die Kunstbranche ist nicht gerade für Nachhaltigkeit bekannt. Unternehmen wie Kunsttrans versuchen dies zu ändern — und nähern sich der grüneren Zukunft Schritt für Schritt.
Ausstellung mit bielen bunten Bildern und zwei Menschen in weißen Kitteln betrachten diese
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OSSIP DUIVENBODE
Kunstlagerung: Sicher und unter besonderen Verhältnissen
vita brevis, ars longa –
das Leben ist kurz, die Kunst lang, so der berühmte Ausspruch, der dem Griechen Hippokrates zugeschrieben wird. Genauso lang wie die Kunst selbst existiert auch die Liebe zu ihr: Noch heute bestaunen wir ehrfürchtig Gemälde und Skulpturen, die vor hunderten von Jahren kreiert wurden, in diversen Museen, Galerien, auf Messen und – so man das Glück hat, eine:n echte:n Kunstsammler:in persönlich zu kennen – einigen Privathäusern. Dazu nehmen wir oft nicht nur eine kurze Straßenbahnfahrt auf uns, wir boarden auch Flugzeuge oder Züge, um die Ikonen der Branche, etwa den Louvre oder das Smithsonian, zu besuchen. Dabei stellt sich wohl kaum jemand eine jener zentralen Fragen, die Museumsdirektor:innen, Kurator:innen und Aussteller:innen tagtäglich beschäftigt: Wie gelangen Werke eigentlich von Museum zu Museum, von Kontinent zu Kontinent? Und (inwiefern) spielt Nachhaltigkeit eine Rolle in der Welt des Kunsttransports?
Was von der Kunst bleibt
Dass nicht nur die Kunst, sondern auch der Weg der Kunst lang sein kann, weiß Birgit Vikas. Die Geschäftsführerin des österreichischen Speditionsunternehmens Kunsttrans beschäftigt sich im Zuge ihrer Arbeit seit über zwanzig Jahren mit der Logistik und Lagerung von Kunst. Dabei müssen in ihrem Geschäftsfeld zahlreiche Faktoren beachtet werden, an die man als übliche:r Museumsbesucher:in oft gar nicht denkt: angefangen bei den Transportwegen, die die Kunstschätze per LKW oder Flugzeug zurücklegen müssen und die häufig hunderte bis tausende Kilometer weit sind, bis hin zu den Transportkisten und Verpackungsmaterialien für Messen und Ausstellungen. Die Menge an CO₂ und Müll, die hier entsteht, ist immens. „Unser Business an sich ist leider nicht sehr nachhaltig“, erklärt Birgit Vikas.
„Wir fahren und fliegen mit Kisten durch die Weltgeschichte. Da können wir nicht sehr viel tun – die Kunst muss von A nach B gelangen.“ Ein großes Problem bisher: Die Bereitschaft und auch der Rahmen der Möglichkeiten der einzelnen Institutionen, nachhaltiger zu agieren, ist kaum bis nicht vorhanden. „Der Aspekt der Nachhaltigkeit war in vielen unserer Rahmenverträge bisher selten Thema“, weiß die Geschäftsführerin. Dass man die Dringlichkeit nachhaltiger Strategien noch vernachlässigt, ist allerdings bei Weitem kein rein österreichisches Thema. Lösungsansätze sind jedoch durchaus vorhanden – vor allem in der Lagerung.
Zahlen, Daten, Fakten
✱ 1.482 Milliarden US-Dollar
soll das Marktvolumen der weltweiten Grünen Logistik bis 2028 betragen.¹
✱ 390,4 Mio. Tonnen
groß war das Transportaufkommen im österreichischen Straßengüterverkehr 2022.²
✱ 3,64 Millionen
LKWs wurden Anfang 2023 in Deutschland zugelassen.³
Nachhaltig auf Lager
Es ist allgemein bekannt, dass Kunst nicht nur sicher, sondern auch bei besonderen Verhältnissen gelagert werden muss: Die Räumlichkeiten sollten stets kühl, luftdicht und trocken sein. Und Licht? Ist sowieso eine schlechte Idee, wenn es um den Erhalt der Farbkraft geht. So werden seit jeher hohe Ansprüche an Kunstdepots gestellt – die mittlerweile vermehrt durch nachhaltige Eigenschaften ergänzt werden. Vorbildrolle in Österreich nimmt dabei Kunsttrans ein: Der Familienbetrieb hat schon früh erkannt, dass es gerade in der Lagerung durchaus im Bereich des Machbaren liegt, nachhaltig und grün zu agieren. „Uns war klar: Man baut kein Depot, das nach zehn Jahren veraltet ist.“ Die zur Gänze CO₂-neutral und in Passivbauweise errichteten Depots der Kunsttrans wurden daher nicht nur mit Solardächern ausgestattet, sondern mit durchdachter Geothermie gebaut. Durch den Verzicht auf Fenster sowie ein intelligentes Schleusensystem wird zudem verhindert, dass sich die träge Raumtemperatur im Gebäude ändert.
Mit ihrem Anspruch an emissionsfreie Lagerung steht Kunsttrans am europäischen Markt nicht alleine da – in Deutschland etwa ist der internationale Logistik- und Transportanbieter Hasenkamp ganz vorne dabei, und auch in Holland und Belgien setzt man auf ähnliche Bauarten. Eine kleine Sensation war die Eröffnung des Boijmans Van Beuningen Art Depository in Rotterdam in den Niederlanden im Jahr 2021: Es ist das erste für die Öffentlichkeit zugängliche Depot der Welt. Und verfügt, unter anderem, über einen erdgekoppelten Wärmetauscher sowie einen Regenwasserspeicher, welcher das Gründach und die Toiletten versorgt.
Kugelförmiges gebäude mit Spiegelverkleidung. Boijmans Van Beuningen Art Depository, Rotterdam
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OSSIP DUIVENBODE
Boijmans Van Beuningen Art Depository, Rotterdam.
Die Kunst fährt lang
Dass man hinsichtlich der Lagerung bereits etwas grüner denkt, ist zwar schön und gut – in Bezug auf Logistik und Transportwesen sieht die Realität dennoch nach wie vor schwierig aus. „Beim Transport ist das noch nicht so möglich“, erklärt Birgit Vikas. „Zwar gibt es LKWs, die mittels E-Antrieb oder Wasserstoff fahren, diese erfüllen jedoch bei Weitem nicht die Anforderungen unserer Branche. Wir hoffen natürlich sehr auf die neuen Entwicklungen, das Thema ist aber schwierig.“ Dazu kommt, dass es neben Kunstwerken, die einzeln transportiert werden, seit einigen Jahrzehnten beliebt geworden ist, ganze Ausstellungen um die Welt reisen zu lassen.
Sei es nun die Grabkammer von Tutanchamun, die um den Globus jettet, oder das fantastische Oeuvre von Monet: Der Transport dieser Schätze ist kosten- und zeitaufwendig. Bei Kunsttrans setzt man daher auf eine Kollaboration mit einem der größten Namen am Markt: Die Art-Allianz mit der deutschen Firma Hasenkamp ermöglicht es, Fahrten zusammenzulegen und so die Leerfahrten der sich auf der Straße befindlichen LKWs zu reduzieren. Fälle, in denen öfter gefahren werden muss, als nötig wäre, gibt es dennoch; etwa, wenn Versicherungen vorgeben, wie hoch der Wert eines einzelnen Transports sein darf. Auch Sondertransporte wie die Anmietung eines Frachtflugzeugs für die Rubens-Ausstellung 2004 in der Albertina, kommen vor. Denn das letzte Wort darüber, wie etwas von A nach B kommen soll, hat eben nicht die Spedition – sondern nach wie vor der oder die Auftraggeber:in.
Birgit Vikas, mit Skulptur aus Metall
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Birgit Vikas, Kunsttrans-Geschäftsführerin.
Die Tradition des Kunsttransports
Kunsttrans wurde vor über 160 Jahren, damals unter dem Namen Transportunternehmen Bäuml & Söhne, gegründet. Mittlerweile bietet das Unternehmen Logistik und Lagerung mit nachhaltigem Anspruch an. Geleitet wird Kunsttrans seit über 20 Jahren von Birgit Vikas.
Es rappelt in der Kiste ...
Ein weiteres Problemfeld der Branche ist das Verpackungsmaterial, das dafür sorgen soll, dass Monet, Chagall, Wurm und Co. sicher und unversehrt an ihr Ziel gelangen. Anders als bei üblichen Postsendungen, sind viele dieser Pakete spezielle Maßanfertigungen, und Birgit Vikas verrät: In den meisten Fällen landen Kartonagen und Klebebänder, Holz, Luftpolsterfolie und Plastik, die das Kunstwerk über ein paar Tage begleitet und beschützt haben, einfach im Müll. Das grüne Stichwort in diesem Fall lautet: Recycling. Auch für Kunsttrans. So wird Leichtverpackungsmaterial, das zum Beispiel auf einer Messe in Gebrauch war, im Lager der Spedition sorgfältig getrennt und anschließend wiederverwendet. Erfüllt das Verpackungsmaterial den Qualitätsanspruch der Kund:innen nicht mehr, schenkt man es Kunstuniversitäten sowie jungen Galerien und Kunstschaffenden.
Transportbehältnisse wie die Klimakiste hingegen wurden dafür konstruiert, öfter verwendet zu werden: „Das ist gut für die Umwelt und ermöglicht es außerdem, einen günstigeren Preis anbieten zu können.“ Die innovativen Klimakisten, von denen es rund 1.500 Stück gibt, kehren immer wieder ins Lager zurück, wo ihr Innenleben für den nächsten Transport adaptiert wird. Auch andere Unternehmen in Österreich, Deutschland und der Schweiz bieten bereits wiederverwendbare Kisten an oder ermöglichen es ihren Kund:innen, alte Kisten zu spenden oder diese für sie zu entsorgen. Was die Kunstexpertin zudem freut: In den Museen finde in Bezug auf Kunsttransportkisten bereits ein Umdenken statt – diese müssen mittlerweile nicht mehr zu hundert Prozent passgenau sein, es dürfe auch mal eine zusätzliche Auskleidung sein, die dafür sorgt, dass ein Gemälde gut verwahrt ist.
Autobahn aus der Vogelperspektive, viel grün rundherum
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Schrittweise Richtung Zukunft
Dennoch: In Italien oder Frankreich wird der Nachhaltigkeitsgedanke noch lange nicht ausformuliert – die Lebensdauer der Transportkisten ist extrem kurz, die einmalige Verwendung ist nach wie vor Usus. Viele Restaurator:innen sind auch hierzulande noch zurückhaltend, wenn es darum geht, die grünen Angebote der Speditionen aktiv zu nutzen. Oftmals lautet die Devise: Besser mehr zahlen und auf Nachhaltigkeit verzichten, als die Beschädigung der Kunstwerke zu riskieren. „Vorsicht hat aber nichts mit Nachhaltigkeit zu tun. So ist eine gebrauchte Luftpolsterfolie zwar optisch nicht mehr einwandfrei, der Schutz ist dennoch nach wie vor zu hundert Prozent derselbe“, weiß Birgit Vikas.
Am Ende des Tages sind es eben nicht die Speditionen, die bestimmen, ob Kisten wiederverwendet werden oder wie voll die Ladung eines LKWs sein darf – sondern die Kund:innen. „Jeder muss selbst Verantwortung tragen und für eine Veränderung einstehen.“ Birgit Vikas ist sich aber sicher: Ein Umdenken findet trotz allem statt – wenn auch langsamer, als es ihr lieb wäre.
Quellenangaben
1 _ Marktvolumen der weltweiten Grünen Logistik im Jahr 2021 und Prognose für das Jahr 2028. Statista Research Department, 26.05.2023.
2 _ STATISTIK AUSTRIA, Statistik des Straßengüterverkehrs; Eurostat (Tabellen D3.1 u D5); ASFINAG. 13.10.2022.
3 _ Anzahl der Lastkraftwagen in Deutschland von 1960 bis 2023. Statista Research Department, 12.04.2023.