„finanz-
sektor spielt entscheidende rolle“

Geld schafft Wohlstand und sichert den Sozialstaat. Aber kann es auch die nachhaltige Transformation der Wirtschaft vorantreiben? Und welche Rolle kann der Finanzsektor dabei spielen? Oder wird die grüne Wende gerade durch ein Übermaß an Bürokratie erstickt?
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Osama Rasheed/osama@hexatonicfilms.com
Die Diskutant:innen (von links): Stefan Dörfler, CFO Erste Group; Dieter Hengl, Vorstand Corporates UniCredit Bank Austria; Arne Johannsen, Moderator; Nastassja Cernko, Nachhaltigkeitsmanagerin OeKB; Georg von Pföstl, Vorstand fair-finance Vorsorgekasse
bitte nicht schon wieder!
So lautet die Klage vieler Unternehmer:innen, wenn es um immer neue Berichtspflichten zum Thema Nachhaltigkeit geht. Haben wir mit einer immer komplexeren Berichterstattung zu ESG-Themen, die nicht nur das eigene Unternehmen betrifft, sondern jetzt auch die Lieferanten einbezieht, ein bürokratisches Monster geschaffen, das erdrückt, was an gutem Willen vorhanden war? Ist „gut gemeint“ wieder mal das Gegenteil von „gut gemacht“? Und welche Rolle kann der Finanzsektor bei der Transformation von Wirtschaft und Gesellschaft spielen? Darüber diskutierte eine Runde von Finanzmarkt-Akteur:innen auf Einladung der fair-finance Vorsorgekasse.

Unbestritten ist: Der Finanzsektor spielt bei dieser Transformation eine ganz entscheidende Rolle. „Durch die Finanzierung der Wirtschaft und die verschiedenen Veranlagungsmöglichkeiten verfügen die Banken über essenzielle Hebel, um diese Transformation voranzutreiben, was ja auch von der Politik und der Regulatorik genutzt wird“, erklärt Dieter Hengl, Vorstand Corporates UniCredit Bank Austria. Eine Konsequenz daraus: „In einigen Jahren wird es keine Finanzierung mehr geben, wenn die geplante Investition nicht nachhaltigen Kriterien entspricht“, so Hengl.

Die Entscheidungen fallen auf Basis von ESG-Daten, die die Unternehmen liefern müssen – eines der heißen Themen der Transformation, weil der Aufwand dafür gewaltig ist. „Wir brauchen seriöse und qualitative Daten als Entscheidungsgrundlage“, betont auch Stefan Dörfler, CFO der Erste Group, „aber es ist sicherlich nicht sinnvoll, wenn die gewollte positive Dynamik dadurch konterkariert wird, dass mit großem Aufwand Daten errechnet werden müssen, deren Aussagekraft überschaubar ist.“
Hilfreich ist dabei ein Angebot der Oesterreichischen Kontrollbank: Der OEKB ESG-Data-Hub. Auf dieser Online-Plattform können sich Unternehmen kostenlos registrieren und die für Banken und Versicherungen notwendigen Informationen eingeben – einmal für alle statt für jedes Institut einzeln. „Ein weiterer Vorteil ist, dass die Unternehmen ihre Werte mit dem Branchendurchschnitt vergleichen können und sehen, wo sie stehen und wo es noch Handlungsbedarf gibt“, erläutert Nastassja Cernko, zuständige Nachhaltigkeitsmanagerin der Oesterreichischen Kontrollbank. Sie bricht in der Diskussion auch eine Lanze für die verlangte Datenflut: „Ohne diese eindeutigen bürokratischen Vorgaben hätte es die Dynamik in diesem Bereich nicht gegeben“, so Cernko. „Reine Freiwilligkeit funktioniert einfach nicht.“
Daten sind auch die Grundlage für die Investitionsentscheidungen der fair-finance Vorsorgekasse. Deren Gründungsvision ist es ja, durch den gezielten Einsatz finanzieller Mittel die Welt besser zu machen.

Was das in der Praxis bedeutet? „Jede Veranlagung unterliegt einem strikten Investitionsprozess“, so Vorstand Georg von Pföstl. Das beginnt mit konkreten Ausschlusskriterien, von Öl und Kohle bis zur Gentechnik. Dann werden nach einem Best-in-Class-Ansatz die besten Unternehmen des jeweiligen Sektors identifiziert. Von Pföstl: „Ganz wesentlich ist auch das Kriterium Impact, also welche konkrete Wirkung wir mit einem Investment erreichen können.“


Was die Diskussion auch gezeigt hat: Nicht nur grüne Musterprojekte müssen unterstützt werden, sondern gerade auch die Transformation von Problemsektoren Richtung Grün. Beispiele sind Bestandsimmobilien und auch besonders energieintensive Industriebranchen. „Nachhaltige Finanzierungen bedeuten für uns auch, aus „braunen“ Objekten „hellgrüne“ zu machen“, führt Georg von Pföstl weiter aus, „denn dabei ist der Impact oft größer, als aus einem grünen Projekt ein dunkelgrünes zu machen.“
Was sich die Diskutant:innen für die weitere Entwicklung wünschen: Einen langen Atem, um den vor uns liegenden Transformations-Marathon zu schaffen, eine bessere zeitliche Abstimmung neuer Auflagen und Regularien sowie eine möglichst ideologiefreie, konstruktive Diskussion über die besten
Technologien und Wege, um das gemeinsame Ziel zu erreichen: Die Transformation der Wirtschaft in eine nachhaltige Zukunft.

nur noch geld
für grünes

Fünf am runden Tisch: Auf Initiative der fair-finance Vorsorgekasse diskutierten Finanzmarkt-Expert:innen über Qualitätsdaten und Bürokratie-Monster, vorhandene Milliarden und Nachhaltigkeit als Treiber von Innovationsführerschaft.
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Osama Rasheed/osama@hexatonicfilms.com
von links: Stefan Dörfler, CFO Erste Group; Dieter Hengl, Vorstand Corporates UniCredit Bank Austria; Arne Johannsen, Moderator; Nastassja Cernko, OeKB Nachhaltigkeitsmanagerin; Georg von Pföstl, Vorstand fair-finance Vorsorgekasse
Hauptdarsteller, Statist oder Zuseher: Welche Rolle kann der Finanzsektor bei der Transformation der Wirtschaft in Richtung Nachhaltigkeit spielen?
dieter hengl:
Der Finanzsektor spielt bei dieser Transformation eine ganz entscheidende Rolle. Durch die Finanzierung der Wirtschaft und die verschiedenen Veranlagungsmöglichkeiten verfügen die Banken ja auch über essenzielle Hebel, um diese Transformation voranzutreiben, was ja auch von der Politik und der Regulatorik genutzt wird.
Wie lässt sich diese Rolle konkret gestalten?
stefan dörfler:
Man braucht konkrete, transparente und messbare Ziele. Zwei Beispiele dafür: Die Erste Group hat sich verpflichtet, bis 2030 bei den eigenen Operations und bis 2050 beim gesamten Kreditportfolio auf Net-Zero zu kommen. Diese Ziele auf die Praxis runtergebrochen bedeutet zum Beispiel, dass bis 2026 ein Viertel unserer Unternehmensfinanzierungen ESG-Kriterien erfüllen müssen. Ganz entscheidend ist, dass diese Ziele auch als Performance-Indikatoren in den Zielsetzungen der Vorständinnen und Vorstände verankert sind. Bei uns sind das je nach Funktion zwischen 15 und 20 Prozent.
Die Hauptaufgabe der Oesterreichischen Kontrollbank ist die Förderung der heimischen Exportwirtschaft. Welche Rolle kann Nachhaltigkeit dabei spielen?
nastassja cernko:
Wir prüfen unter anderem im Auftrag des Bundes Haftungen für Exportgeschäfte, und da schauen wir schon lange nicht mehr nur auf die Wirtschaftlichkeit, sondern auch auf ökologische und soziale
Kriterien. Das Thema Nachhaltigkeit ist bei uns also schon lange verankert. Zudem entwickeln wir ständig neue Produkte und Angebote, um zum Beispiel Investitionen zur Verbesserung der Ressourceneffizienz oder zur Stärkung der Kreislaufwirtschaft zu incentivieren.
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Wie nutzt die fair-finance Vorsorgekasse als Investorin ihre Möglichkeiten, die Transformation der Wirtschaft voranzutreiben?
georg von pföstl:
Die Gründungsidee und Vision der fair-finance Vorsorgekasse ist ja, mit finanziellen Mitteln die Welt zum Besseren zu verändern. Um diesen Transformationsprozess bestmöglich zu unterstützen, setzen wir Maßnahmen im Rahmen unserer eigenen Theory of Change. Eingeteilt in drei Wirkungskanäle, die wir mit choice, voice und noise bezeichnen. Also die Nutzung von Handlungsspielräumen für mehr soziale Gerechtigkeit und ökologische Zukunftsfähigkeit, das Benennen von ökologischen Missständen inkl. Verbesserungsvorschlägen und die Mobilisierung von Gesellschaft, Wirtschaft und Politik. Ganz wesentlich ist auch das Kriterium Impact, also welche konkrete Wirkung wir erzielen können.
„Das Finanzierungsvolumen für Transformation ist vorhanden. Alles andere ist eine elegante Ausrede.“
Stefan Dörfler, Erste Group
Geht es dabei nur um ökologische Kriterien?
von pföstl:
Alle ESG-Kriterien, also Umwelt, Soziales und Governance, werden berücksichtigt. Wobei die soziale und gesellschaftliche Dimension bei uns im Vordergrund steht. Dafür haben wir sogar ein eigenes Rating entwickelt. Wir lassen die Nachhaltigkeit unseres Portfolios auch quartalsweise durch ein externes Screening unseres Portfolios überprüfen. Und selbstverständlich geht es auch darum, als Vorsorgekasse für unsere Kund:innen eine marktkonforme Performance zu erwirtschaften.
Die Transformation der Wirtschaft zu mehr Nachhaltigkeit erfordert Milliarden-Investitionen. Gibt es dieses Geld?
dörfler:
Ja, die Finanzierung ist nicht das Problem, wenn es das entsprechende Commitment gibt. Die Hürden liegen eher beim Fachkräftemangel – wer soll das umsetzen? – und bei der zielgerichteten Projektauswahl. Die Finanzierungsvolumen sind da, alles andere ist eine elegante Ausrede.
hengl:
Eines muss man ganz deutlich sagen: In einigen Jahren wird es keine Finanzierung mehr geben, wenn die geplante Investition nicht nachhaltig ist. Aber ich betone auch: Nachhaltigkeit kann auch sehr bewusst dazu benutzt werden, um Innovationen zu fördern, um Innovationsführerschaft weiter auszubauen. Und gerade das ist ja auch für die europäische Wirtschaft von ganz, ganz hoher Relevanz.
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Osama Rasheed/osama@hexatonicfilms.com
Viele Unternehmer:innen beklagen die ausufernden Berichtspflichten. Wurde hier ein Bürokratie-Monster geschaffen?
hengl:
Natürlich beschäftigt sich jedes Unternehmen mit dem eigenen CO₂-Ausstoß, Wasser- und Energieverbrauch. Aber diese Daten über die gesamte Lieferkette zu erheben, ist eine wirklich große Herausforderung und aktuell sicher das sensibelste Thema im Gespräch mit unseren Kund:innen. Denn diese Daten fließen ja in die Ratings und Bonitätsbeurteilungen ein.
dörfler:
Es ist unbestritten, dass wir seriöse und qualitative Daten als Entscheidungsgrundlage brauchen. Aber es ist sicherlich nicht sinnvoll, wenn die gewollte positive Dynamik dadurch konterkariert wird, dass mit großem Aufwand Daten errechnet werden müssen, deren Aussagekraft überschaubar ist.
cernko:
Sie haben in vielen Punkten recht. Aber ich bin überzeugt, dass es die Dynamik in diesem Bereich ohne eindeutige bürokratische Vorgaben nicht gegeben hätte. Reine Freiwilligkeit funktioniert einfach nicht. Problematisch sind sicher auch das große Tempo und die Kurzfristigkeit, mit der die Vorgaben kommen. Aber diese sind natürlich den Herausforderungen geschuldet, nämlich dem rasanten Klimawandel und dass wir eine gewaltige Wende hinbekommen müssen. Sicher kommt es dabei zu Umwegen. Aber dazu fällt mir immer das Zitat ein: „Umwege erhöhen die Ortskenntnis.“
von pföstl:
Es braucht gewisse regulatorische Vorgaben, um die Spielregeln zu definieren. Aber man darf dabei das Ziel nicht aus den Augen verlieren. Und entscheidend ist am Ende doch der Marktdruck. Ohne den Druck der Wirtschaftsakteure am Markt wird die Transformation nicht gelingen.
„Entscheidend wird sein, vonein­ander zu lernen, pragmatische Wege zu gehen und dieses Wissen auch zu teilen.“
Nastassja Cernko, OeKB
Welche Hilfe kann der OeKB ESG-Data-Hub der Kontrollbank bieten?
cernko:
Banken und Versicherungen brauchen gewisse Informationen, um ihre regulatorischen Vorgaben zu erfüllen. Unsere Idee war, anstatt dass jede Bank sich selbst einen Fragebogen überlegt und an die Kund:innen herantritt, eine zentrale Plattform einzurichten, auf der sich Unternehmen kostenlos registrieren und die gewünschten Informationen eingeben können. Ein weiterer Vorteil ist, dass die Unternehmen ihre Werte mit dem Branchendurchschnitt vergleichen können und sehen, wo sie stehen und wo es noch Handlungsbedarf gibt.
Es ist unstrittig, dass grüne Projekte gefördert werden müssen. Aber was ist zum Beispiel im Immobilienbereich mit Bestandsimmobilien, die energetisch nicht auf dem letzten Stand sind?
von pföstl:
Wenn wir über nachhaltige Finanzierungen sprechen, bedeutet das für uns auch, aus „braunen“ Objekten „hellgrüne“ zu machen. Denn darum geht es ja bei der Transformation: mit Investitionen einen möglichst großen Impact zu erzielen. Und der ist in so einem Fall oft höher, als aus einem grünen Projekt ein dunkelgrünes zu machen.
Was wünschen Sie sich, um den Umbau der Wirtschaft zu mehr Nachhaltigkeit zu beschleunigen? Brauchen wir mehr Gesetze und Auflagen?
von pföstl:
Wir müssen uns bewusst sein, dass wir erst die ersten Kilometer eines Marathons zurückgelegt haben. Die herausforderndsten warten noch auf uns. Und dafür brauchen wir auch den Mut, manche Regularien, die Fehlimpulse setzen, zu korrigieren. Entscheidend wird aber der Marktdruck sein, der durch die junge Generation entsteht.
cernko:
Und auch, wie wir zusammenarbeiten; wie wir voneinander lernen, pragmatische Wege zu gehen und dieses Wissen zu teilen.
hengl:
Das Thema ESG bringt riesige Herausforderungen mit sich. Manchmal mangelt es dabei an Klarheit – und da muss man dann auch mal „Mut zur Lücke“ haben. Sinnvoll und notwendig ist es, die Regularien zeitlich besser abzustimmen, damit wir nicht von Kund:innen Informationen verlangen müssen, die diese noch nicht liefern können.
dörfler:
Wir brauchen einen offenen und entideologisierten Diskurs über die besten Technologien und Wege, um das gemeinsame Ziel einer nachhaltigen Wirtschaft zu erreichen. Mein zweiter Wunsch ist, mehr Incentives für nachhaltiges Verhalten zu schaffen. Da geht es nicht um großartige Steuervorteile, sondern beim Beispiel Vorsorge um eine Besserstellung nachhaltiger Veranlagungen. Und für uns selbst als Unternehmen geht es weiter darum, sachlich, faktenorientiert und konstruktiv mit einem klaren Commitment zur Nachhaltigkeit einen genauen Plan aufzustellen, was die konkreten Ziele sind und wie diese in welchem Zeitraum zu erreichen sind. Und dabei auch die Schwierigkeiten offen anzusprechen.